Nach neuen Dreizeiger-Modellen (B- und A-Muster Beobachtungsuhr sowie RLM-Uhr, jeweils mit NOS-Kalibern), greift der Pforzheimer Uhrenhersteller Aristo Vollmer nun mit einem neuen Modell mit Chronographen-Komplikation an: Der Aristo Flieger Chrono Retro bewegt sich mit seinen beiden Varianten irgendwo im Design-Dunstkreis von Vintage-Fliegerchronographen von Sinn, Tutima & Co., darunter beispielsweise Sinn 356, Sinn 144 oder auch der Orfina Porsche Design Bundeswehr Chronograph – klassisch-funktional, unaufgeregt und zweckdienlich sind entsprechend Wörter, die mir zu den neuen Aristo-Chronos einfallen. Eine Toolwatch ohne (preistreibenden) Schnörkel, ohne Schnickschnack. Schauen wir mal genauer hin.
Eckdaten Aristo Chrono Retro Design 3H243:
- Gehäuse Edelstahl dunkel sandgestrahlt
- Schweizer Sellita SW 500 Automatikkaliber, Stoppfunktion, „Day Date“
- Durchmesser 40,5 mm
- Höhe 13,9 mm
- Horn-zu-Horn 48,5 mm
- Drehlünette, einseitig gegen den Uhrzeigersinn drehbar
- Leuchtziffern und -Zeiger
- Drücker in Tropfenform
- Wasserdichtigkeit 5 bar / 5 atm (Uhr darf beim Duschen anbehalten werden)
- verschiedene Bandoptionen, darunter Mesh-Band dunkel sandgestrahlt
- ab 1330€, direkt über aristo-uhrenvertrieb.de
Aristo Flieger Chrono Retro (3H243) im Hands-On
Die neuen Aristo-Chronos kommen ausschließlich in der klassischen Zifferblattfarbe Schwarz mit toolig-matter Oberfläche. Der grundsätzliche Aufbau entspricht einer Tricompax-Anordnung mit kleiner Sekunde links, 12-Stunden-Zähler unten und 30-Minuten-Zähler oben – dank des Einsatzes des Schweizer Automatikkalibers Sellita SW500 (dazu später mehr). Gut: Der Zifferblattaufbau ist so gelöst, das keine der rundum laufenden, arabischen Stundenziffern „abgesäbelt“. Die drei Totalisatoren “verdrängen” die Ziffern „12“, „6“ und „9“ vollständig.
Kleiner Wermutstropfen: Das Fenster für Wochentagsanzeige und Datum ist recht einfach ausgeschnitten und nicht so schön abgekantet ist wie wir das beispielsweise bei der Laco Kiel Sport vorfinden. Gut aber: Man kann wählen zwischen einer weißen und einer schwarzen Wochentags-/Datumsanzeige – die schwarze sieht meiner Meinung nach stimmiger aus, die weiße hingegen ist etwas besser, da konstrastreicher, ablesbar.
Die Ziffern und die daneben liegenden quadratischen Stundenindzies der Referenz 3H243 sind dabei dezent grünlich – wegen des Einsatzes von Super-LumiNova C3, die bei Tageslicht einen gelbgrünen Farbton aufweist und damit an alte Cockpit-Instrumente aus Flugzeugen erinnert (siehe unten). Super-LumiNova C3 ist bei Dunkelheit die hellste aller Super-LumiNova-Farben.
Unter der Referenz 3H242 gibt es auch eine fast baugleiche, mit Blick auf das Zifferblatt aber etwas sportlichere Variante mit einfachen Strichindizes in Verbindung mit einem orangefarbenen zentralen Stoppsekundenzähler – hier ist die Super-LumiNova im neutral-reinweißen Farbton C1 gehalten. Dieses Modell soll allerdings schwerpunktmäßig in Asien vertrieben werden.
In Anbetracht des matt-grauen Farbtons des Gehäuses denken Uhrenfreunde vielleicht intuitiv an Titan als Gehäusematerial. Tatsächlich handelt es sich aber um Edelstahl, welches durchgängig dunkel sandgestrahlt wurde. Dieses Finish passt perfekt zum “tooligen” bzw. funktionalen Charakter der Uhr und sorgt (thematisch absolut passend) für minimierte Lichtreflexionen, die den Piloten ablenken oder blenden könnten. Das Gehäuse ist außerdem auffällig „abgerundet“. Ins Auge stechen ferner die Drücker in Tropfenform, die eine gute Mischung aus Ergonomie (spitz zulaufend Richtung Hörner) und Kontaktfläche mitbringen. Der unidirektional drehbare Fliegerdrehring rastet schön satt und knackig und ist perfekt zentrierbar, hat allerdings für meinen Geschmack etwas zu viel Spiel. Im Sinne einer Fliegeruhr wäre außerdem ein bidirektionaler Fliegerdrehring sinnvoller gewesen.
Besonders ins Auge sticht das Gehäuse in Verbindung mit dem ebenfalls dunkel sandgestrahlten Mesh-Band, das Aristo im eigenen Hause herstellt, indem die Pforzheimer unter anderem sogenannte Coils (Metallband-Wickel) mit Hilfe von Zirkularscheren-Maschinen auf die gewünschte Breite und Länge zuzuschneiden.
Zur Erinnerung: Aristo ist eine Marke der 1907 gegründeten Julius Epple K.G. Epple war über viele Jahre Kunde bei Vollmer und durch diesen Kontakt kam der Kauf der Markenrechte durch Hansjörg Vollmer zustande. Der Produktionsstandort von Aristo Vollmer befindet sich heute immer noch in der Pforzheimer Erbprinzenstraße 36, auf einem Grundstück, das die Familie Vollmer wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg erworben hat – dort finden bis heute nicht etwa nur ein paar Uhrmacher, sondern auch ein üppiger, aktiv genutzter Maschinenpark Platz.
Mehr: Hinter den Kulissen: Einblicke in die Produktion von Aristo Vollmer in Pforzheim
Aristo setzt beim neuen Retro-Chronographen auf einen Schweizer Antrieb aus dem Hause der Sellita SA, das SW500 “Day Date”, also mit Wochentagsanzeige und Datum.
Es handelt sich um die Standard-Ausführung des Kalibers – und dennoch: Aristo scheint hier mit Blick auf den Preis des Chronographen (ab 1330€) wirklich mit ziemlich spitzem Bleistift zu rechnen, denn das SW500 ist signifikant teurer im Einkauf als „einfache“ Dreizeigerkaliber wie das SW200-1. Dank Feinregulierung durch hauseigene Uhrmacher zielt Aristo außerdem auf eine Ganggenauigkeit von maximal +5 s/Tag ab. Weiterhin sind 28.800 bph, Incabloc-Stoßsicherung und 25 Juwelen (“Jewels”) bzw. Lagersteine an Bord.
Das Sellita SW500 ist mit einer Höhe von 7,9 mm deutlich ausladender dimensioniert als das Dreizeigerpendant SW200 (4,6 mm) – die Chronographen-Komplikation in Verbindung mit dem Automatikaufzug verlangt einfach nach einer Menge Platz. Entsprechende Uhren mit dem SW500 sind daher im Allgemeinen in der Regel ebenfalls deutlich höher als automatische Dreizeigeruhren. In der Hinsicht ist es lobenswert, dass der Aristo Chrono mit 13,9 mm etwas flacher ist als der Durchschnitt (unter 15 mm findet man eher selten Chronographen mit dem SW500 bzw. dem ETA 7750) – das ist aber auch notwendig, damit das Modell nicht „pummelig“ am Arm wirkt, denn der Durchmesser ist mit 40,5mm (Horn-zu-Horn 48,5 mm) eher kompakter.
Abschließende Gedanken
Preislich startet der neue Aristo-Chrono bei 1330€ – und man muss eine ganze Weile suchen, bis man einen Chronographen mit Sellita SW500 heute noch zu diesem Kurs findet. Andere Hersteller, auch nicht wenige Nachbarn aus Pforzheim, schreiben da schon mal schnell eine „2“ statt eine „1“ als erste Ziffer in den Preis – auch wegen preistreibender Eigenschaften wie Unterdrucksicherheit und dergleichen, die Uhrenfreunde normalerweise einfach nicht benötigen. Gleichzeitig wäre aber auch das eine oder andere Fliegeruhren-charakteristische Merkmal wie insbesondere ein Weicheisenkäfig sinnvoll gewesen, um dem „Flieger“ im Modellnamen besser gerecht zu werden.
Mehr: Experiment: Uhr entmagnetisieren und Auswirkungen von Magnetismus auf Uhren im Alltag
Der attraktive Preis ist aber nur die Hälfte der Geschichte, denn nicht unerwähnt an dieser Stelle muss auch bleiben, dass die Fertigungstiefe des inhabergeführten Herstellers Aristo Vollmer (wie bereits oben angedeutet) weit über dem Durchschnitt liegt – verteilt auf das gesamte Pforzheimer Firmengebäude finden sich etliche Maschinen, mit denen Hansjörg Vollmer und seine Mitarbeiter prägen, stanzen, schneiden, perlieren, beizen, drucken, polieren etc. etc.. In dem Sinne kann ich auch nur wiederholen, was ich bereits über die Aristo Vintage 42 Beobachter mit NOS-Kaliber von Record/Longines geschrieben habe: Wo findet man heute noch solch ein tolles Gesamtpaket? Wer seine Uhrensammlung noch um einen klassischen Chronographen ergänzen möchte, der kommt aufgrund des vergleichsweise günstigen Preises bzw. des gelungenen Preis-Leistungs-Verhältnisses kaum um den Aristo Flieger Chrono Retro 3H243 herum. Übrigens: Der Chrono steht auch in Varianten am Lederband zur Verfügung…
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Zitat:Was soll ich mit 5 bar anfangen, wenn ich als Pilot notwassern muss? 😃
Antwort:In der beschriebenen Situation gibt es wohl wichtigeres,als die:
“Wasserdichte”einer Uhr! :-‘(
Die Sache mit dem Geschmack ist ja immer so eine Sache.
Der erste Blick war „ÖRKS“.
Der zweite war „HMM“?
Und seit dem dritten Blick, finde ich das Ding gar nicht mal übel. Ja, 5 Atmos. Das ist schon dünn und wahrscheinlich verträgt sie mehr. Und ja, eine einseitg drehbare Lünette ist schon seltsam an einem Flieger. Aber wer von uns nutzt seine Uhr schon ernsthaft in der Luft?
Umso mehr mag ich dieses leicht bei Junghans ausgeborgte Design und dieses toolige Mausgrau. Wenn das Ding günstiger wäre und wenn ich nicht schon diverse Chronos hätte, würde ich darüber nachdenken.
Was mir an der Uhr gefällt, ist primär die Farbe, bzw. die Oberflächenbehandlung die dazu führt. Das Mesh-Band ist auch super. Gehäuseform und Ziffernblatt sind mir zu fest „Alltagsware – so ähnlich oder gleich schon 1000 mal gesehen“.
Und 1390.– ist ein fairer Preis, aber wer ein wenig sucht, findet einen neuen oder neuwertigen Chronographen, und mehr ist die Uhr für mich leider nicht, mit dem gleichem Werk, schon für ca. 1000 Euro im Netz. Ist halt dann nicht das neueste Model (da eher Lagerware), aber vielleicht exclusiver. Wobei ich denke, ein Underdog macht vieles Wett gegen die „Grossen“ mit „Renomeé“ wenn er was eigenes, kreatives bietet.
Aber ansonsten vielen Dank Mario👍💪
Moinsen. Das größte Problem bei dieser Uhr sehe ich bei der Wasserdichtigkeit von nur 5 bar. Damit scheidet sie für viele potentielle Käufer direkt aus. Selbst LACO hat seine Flieger „Original“ Beobachtungsuhren mittlerweile auf 10 bar umgestellt. Was soll ich mit 5 bar anfangen, wenn ich als Pilot notwassern muss? 😃
Vorab: Grundsätzlich schätze ich die Uhren von Hajo Vollmer nicht zuletzt wegen der ziemlich fairen Preise (siehe dazu auch meine vorherigen posts). Der Preis stimmt wieder einmal, aber leider muss ich Lars zustimmen. In meinen Augen ist auch das Gehäusedesign misslungen (die Lünette wirkt wie ein Abklatsch derjenigen der Junghans 688.70; die Drückerform kommt mir auch seltsam bekannt vor und ist bestimmt nicht „griffig“) außerdem ist das für mich weder ein Tricompax- noch ein Fliegerchronograph, auch wenn der letzte Begriff nicht unbedingt eindeutig definiert ist, denn
Die zitierte 144 wird übrigens von Sinn als Sport- und nicht als Fliegerchronograph beworben. Die Orfina heißt nicht ohne Grund Bundeswehrchronograph und eben nicht Fliegerchronograph – den stellte Tutima unter Verwendung des Lemania 5100 her.
Fazit: Guter Idee, Umsetzung verbesserungsbedürftig – Schade!
Moin Konrad, der Orfina Chrono ging hauptsächlich an das fliegende Personal der BW. Siehe auch:
https://chrononautix.com/orfina-porsche-design-bundeswehr-chronograph/
Hallo Mario, tatsächlich wurde die Orfina BW 5100 zusammen mit den Modellen anderer Herstellen (u. A. Sinn, Tengler, …) von der Bundeswehr ausgeschrieben, beschafft und mit Versorgungsnummern versehen. Die Ausschreibung erfolgte dabei nicht explizit als Dienstuhr für Piloten. Es kann allerdings sein, dass an einige Kameraden des fliegenden Personals diese Uhren ausgegeben wurden. Dafür ausgeschrieben waren sie jedenfalls nicht. Dies erfolgte erst ab 1984 mit dem sog. „NATO-Chronographen“
Nun ja, wem die Uhr optisch gefällt kann sie ja kaufen.
Ich habe mal nachgeschaut auf einer Online Plattform, SW 500 ca. 330 Euro, SW 200 ca. 220 Euro.
Habe jetzt mal nicht nach super günstig geschaut.
Auch ist das eher ein Preis für Endverbraucher.
Nimmt man an, dass bei einer Abnahme von mindestens 1000 Stück der Preis signifikant geringer ist, so dürfte der Preis zwischen den beiden Kalibern im Verhältnis zum Endprodukt auch nicht mehr wesentlich ins Gewicht fallen.
Das andere Hersteller beim UVP ganz anders zulangen, ist aus meiner Sicht kein Maßstab den man heranziehen kann, um die vermeintliche Attraktivität eines Produktes herauskehren zu können.
Es zeigt vielmehr wie ungehemmt manche Hersteller glauben mit der Marke Geld verdienen zu können.
Ich persönlich finde das grau sandgestrahlte Band und Gehäuse misslungen.