Fliegeruhren gehören zu den klassischsten und zugleich wandlungsfähigsten Uhrentypen überhaupt. Aristo aus Pforzheim hat in diesem Bereich jahrzehntelange Erfahrung – und mit drei neuen Modellen zeigt der Hersteller, wie unterschiedlich ein Flieger heute gedacht werden kann: mal robust und modern, mal retro pur (unterstrichen durch ein NOS-Kaliber), mal stilistisch gewagt. Ein Vergleich zwischen „Leuchtkeks“, einer Variante mit Record/Longines-NOS-Unterbau und goldener Gratwanderung.

Aristo-Dreierpack im Preflight-Check
Aristo Flieger 42 schwarz PVD 0H30-L Automatic
Der Aristo Flieger 42 schwarz PVD 0H30-L Automatic ist ein Flieger „auf laut“: 42 mm Durchmesser, komplett schwarzes Gehäuse und dazu ein Zifferblatt, das in der Dunkelheit fast schon wie eine Taschenlampe leuchtet.
Aber noch mal zurück auf Anfang: Zunächst einmal finden wir bei dem Modell ein klassisches Flieger-Blatt mit dem charakteristischen Merkmal des zentralen Dreiecks mit zwei Punkten, das aus Gründen der besseren Ablesbarkeit statt der arabischen „12“ zum Einsatz kommt, um auch bei schlechten Sichtverhältnissen selbst mit einem flüchtigen Blick die Stellung der Zeiger zur „12“ zu erkennen. Fun Fact am Rande: Vorgänger der Beobachtungsuhren waren die optisch ähnlich schlichten, sogenannten RLM-Uhren, die von der Firma Aristo (damals durch die Familie Epple) hergestellt wurden.

Das Zifferblatt ist dabei ein sogenannter „Leuchtkeks“ (fragt mich nicht, wer sich diesen unter Uhrennerds durchaus gängigen Begriff ausgedacht hat – ich war es jedenfalls nicht; im Englischen spricht man übrigens von „Full Lume Dial“): Die großflächig aufgetragene Leuchtmasse erstreckt sich über das komplette Zifferblatt und hat ordentlich „Wumms“. Ziffern, Leuchtdreieck und die fetten, klaren Indizes sind schwarz lackiert und sorgen so quasi für ein „Negativ“ im Dunkeln.



Im Detail stechen auf dem Blatt auch die chemisch gebläuten Zeiger ins Auge: Unten in den beiden Vergleichsbildern sieht man auch noch mal sehr schön wie sich die Wirkung der Zeiger in Abhängigkeit des Lichteinfalls ändert.
Die Zeiger kommen ebenfalls mit Leuchtmasse, was auf den ersten Blick eher kontraproduktiv bei einem Leuchtkeks-Blatt wirkt. Die Zeiger leuchten aber merkbar stärker, wodurch die Ablesbarkeit auch im Dunkeln sehr gut ist.


Auch durch den deutlich höheren Durchmesser von 42 mm ist die PVD-Variante mit Leuchtkeks-Zifferblatt zweifellos das Statement-Piece unter den dreien: groß, präsent und kaum zu übersehen.
Der Gesamteindruck: funktional, modern, fast ein wenig martialisch. Wer Understatement sucht, wird hier nicht fündig. Für Fans, die es gerne etwas moderner und „lauter“ mögen, mit einem Hauch taktischer Optik, liegen hier goldrichtig.


An allzu schmalen Handgelenken wirkt die Uhr allerdings vielleicht eher deplatziert. Zum Vergleich: Mein Handgelenkumfang beträgt eher größere 18,5 cm und da wirkt das Modell meiner Meinung nach sehr passend:



Aristo Flieger 42 schwarz PVD 0H30-L Automatic
- Edelstahlgehäuse PVD schwarz,
- Ø 42 mm
- Höhe 10,2 mm
- Horn-zu-Horn 49,3 mm
- Zifferblatt mit Leuchtmasse weiß
- Leuchtziffern und -Zeiger
- Saphirglas
- Glasboden
- Wasserdichtigkeit 5 atm
- Schweizer Automatic-Werk Sellita SW 200-1
- Vintage-Lederband
- Preis: 550€, direkt über Aristo



Aristo Vintage 38 Flieger 7H173 RECORD AUTOMATIC
Dem entgegengesetzt steht die Vintage 38 mit dem RECORD-Automatikwerk: kompakter, patinierter Look, zurückhaltende Leuchtmasse und Vintage-Optik durch und durch – und vor allem ein echtes Stück Schweizer Uhrengeschichte „unter der Haube“ (dazu aber gleich mehr).


Das Gehäuse (38,5 mm bei 43,6 mm Horn-zu-Horn) ist angenehm unauffällig, das Finish zeichnet sich vor allem durch die Brünierung aus. Heißt: Das Gehäuse hat eine Patina in Verbindung mit einem Mattschliff. Das Brünieren dient im Allgemeinen der Bildung einer dünnen Schutzschicht auf eisenhaltigen Oberflächen. Der Begriff stammt vom französischen Wort brunir für ‚bräunen‘. Es gibt verschiedene Methoden, um Edelstahl zu brünieren. Bei Aristo wird das Gehäuse im eigenen Hause zunächst auf 800 Grad Celsius erhitzt und anschließend in Öl abgeschreckt.



Beim Brünieren wird die Oberfläche umgewandelt bzw. durch das Erhitzen des Edelstahls wird eine Oxidschicht auf der Oberfläche des Metalls erzeugt. Das schnelle Abschrecken des erhitzten Edelstahls in Öl wiederum hat dabei gleich mehrere Effekte: Es hilft die Oxidschicht zu stabilisieren und damit die Korrosionsbeständigkeit zu verbessern. Wenig verwunderlich ist, dass dieses Verfahren eigentlich aus dem Werkzeugbau stammt, wo Langlebigkeit und Haltbarkeit ein wesentlicher Faktor sind.
So oder so: Die matt-dunkle Optik rundet die Vintage-Optik des Modells perfekt und passend ab und sorgt für eine echte Besonderheit – neben dem NOS-Kaliber natürlich, dazu aber gleich mehr.



Aristo Vintage 38 Flieger 7H173 RECORD AUTOMATIC
- Das Gehäuse ist aus brüniertem Edelstahl,
- Ø 38,5 mm
- Höhe 10,7 mm
- Horn-zu-Horn 43,6 mm
- Leuchtziffern und -Zeiger „Old Radium“,
- Saphirglas,
- Wasserdichtigkeit 5 atm
- Glasboden
- RECORD 1959-2 Historisches Automatic-Werk aus der Schweizer Manufaktur RECORD (Longines) aus den 1970er Jahren, 11 1/2 Ligne, 17 Steine, 21.600 A/h, max. +10 Sek./Tag, Gangreserve 40 Std.
- mit Vintage-Lederband mit beiger Steppnaht
- Diese Serie ist mit einer fortlaufenden Nummer auf dem Gehäuseboden graviert.
- Preis: 650€, direkt über Aristo


Aristo Flieger 39 Gold PVD 0H31-L Automatic
Die goldene PVD-Version bildet gewissermaßen die stilistische Brücke: kleiner und wesentlich eleganter als der „Leuchtkeks“, aber verspielter als der Record-Vintage-Flieger. Die rote Sekunde, Eisenbahn-Minuterie und das matte Gold wirken fast wie ein subtiler Seitenhieb auf klassische Dresswatches – nur eben mit Flieger-DNA.



So erinnert der Zifferblattaufbau mit seiner schnörkellosen Typographie der Ziffern in Verbindung mit einer Eisenbahnminuterie und den Schwertzeigern an die Omega CK 2777, die ab 1953 offiziell an die Royal Air Force ausgeliefert wurde – aufgrund der Notwendigkeit, den anstrengenden Bedingungen des Fliegens in der RAF standzuhalten, wurden sie unter strengen Spezifikationen des britischen Verteidigungsministeriums (Verteidigungsministerium) hergestellt. Infolgedessen musste sie hochgradig antimagnetisch sein, auf Chronometerqualität reguliert und in einem robusten Edelstahlgehäuse untergebracht sein.


Der Flieger 39 Gold und der Vintage 38 Flieger teilen sich – auch wenn es die Modellbezeichnungen irreführenderweise nicht einleuchten lassen – dasselbe Gehäuse. Mit dem Unterschied eben, dass hier naheliegenderweise eine PVD-Goldbeschichtung zum Einsatz kommt. Ein weiterer kleiner, aber feiner Unterschied: Das Bodenglas der Goldvariante ist etwas flach, wodurch ich eine Höhe von unter 10 mm messe – perfekt für eine Uhr mit „dressigem“ Anstrich. Die zuvor vorgestellte Variante mit Record-Kaliber hat hingegen einen leicht gewölbten Glasboden, der die Höhe naturgemäß dezent anwachsen lässt, auf knapp über 10 mm.



Aristo Flieger 39 Gold PVD 0H31-L Automatic
- Edelstahlgehäuse PVD-gold matt
- Ø 38 mm
- Höhe 9,4 mm
- Horn-zu-Horn 43,6 mm
- Leuchtziffern und -Zeiger
- rote Sekunde
- Saphirglas
- Glasboden
- Wasserdichtigkeit 5 atm
- Schweizer Automatic-Werk Sellita SW 200-1
- Lederband mit handgesteppter Naht
- Preis: 590€, direkt über Aristo
Technik: Schweizer Klassiker oder Gegenwart trifft Vergangenheit
Zweimal setzt Aristo auf das bewährte Sellita SW200-1, ein Schweizer Standardkaliber, das dank seiner Zuverlässigkeit und seiner einfachen Wartbarkeit unter Uhrenfreunden extrem beliebt ist. Sowohl bei der PVD-Gold Variante als auch beim Leuchtkeks ist das Werk eine absolut stimmige Wahl. Mehr noch: Im Preisbereich von Pi mal Daumen 500€, in der sich die beiden Modelle tummeln, ist dieses Werk heutzutage eine absolute Seltenheit und daher ein sehr gutes Verkaufsargument.



Ganz anders die Retro-Fliegeruhr: Hier tickt ein über 50 Jahre altes Automatikwerk, ein NOS-Automatikkaliber der Record Watch Company, das den historischen Charme des Modells unterstreicht. NOS bedeutet New Old Stock und meint neue bzw. unbenutzte Uhrwerke aus altem Lagerbestand.
Es handelt sich konkret um das 11 1/2 Ligne-Kaliber Record 1959-2 (21.600 A/h, 17 Steine). Die Ganggenauigkeit mit maximal +10 Sek./Tag kann sich dank Reglage im Hause Aristo Vollmer trotz des Alters sehen lassen. Zu beachten ist allerdings, dass eine heute gängige Komfortfunktionen nicht an Bord ist, und zwar der Sekundenstopp bei gezogener Krone („Hacking“-Funktion). Alles in allem untermauert das Kaliber die Vintage-Optik des Modells auch technisch ganz hervorragend.
Record wurde übrigens bereits 1903 gegründet und erreichte über die Jahrzehnte eine beachtliche Größe: Neben dem Hauptsitz in Genf verteilten sich viele Hundert Mitarbeiter auf weitere Standorte wie Tramelan-Dessus, La Chaux-de-Fonds, Les Pommerats und London. 1961 wurde Record durch einen Aktienankauf von Longines übernommen, weshalb Record-Kaliber so unter anderem unter dem Markennamen Longines Einzug in verschiedene Modelle fanden. Der eigenständige Name Record bestand aber auch unter der Longines-Ägide drei Jahrzehnte eigenständig fort. Im Zeichen der Quarzkrise hat Longines bei Record anno 1991, nach fast 90 Jahren, allerdings die Tore geschlossen.
Doch die Kaliber leben auch heute noch weiter – immer mal wieder tauchen alte Lagerbestände auf, beispielsweise bei Uhrmachern, die ihr Geschäft aufgeben. Firmen wie Aristo Vollmer schlagen dann mitunter zu und überholen diese umfassend bevor sie in neuen Modellen verbaut werden. Auch die Ersatzteilversorgung seitens Aristo ist sichergestellt, indem ein bestimmter Prozentsatz an Kalibern extra für diesen Zweck zurückgehalten wird.




Fazit: Drei Flieger, drei Persönlichkeiten
Das neue Aristo-Modell mit NOS-Kaliber von Record/Longines zeigt, wie viel Charakter in einem durchdachten Konzept stecken kann – hier kommt echtes Sammlergefühl auf. Klar ist aber auch: Wer hier moderne Perfektion (z.B. mit Blick auf die Frequenz) oder absolute Wartungsfreundlichkeit erwartet, sollte lieber zu einer der Varianten mit SW200-1 greifen. Dafür erhält man eine Uhr mit Seele – und das zu einem erstaunlich günstigen Preis.
Für Design-Liebhaber mit einem Hang zur Extravaganz verbindet die goldene PVD-Variante klassische Stilelemente bei kompakten Maßen mit militärischem Unterton – ein kleiner Rebell im Fliegersegment. Der schwarze „Leuchtkeks“ hingegen ist auffällig modern gehalten und passenderweise im direkten Vergleich deutlich größer dimensioniert – aber eben auch schwer vermittelbar für alle, die es dezenter mögen. Eigentlich wäre der Leuchtkeks mein Favorit – wäre da nicht das Datumsfenster, auf das ich in der Form gerne hätte verzichten können.
Alles in allem bietet Aristo mit den drei Neuheiten wie gewohnt richtig gute Made in Germany-Qualität bei überdurchschnittlich hoher Fertigungstiefe (siehe mein Besuchsbericht hier) mit technisch durchdachtem Unterbau. Für den aufgerufenen, überaus fairen Preis von jeweils um die 600€ macht man hier definitiv nichts falsch.
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