Der japanische Traditionshersteller Seiko im Allgemeinen und die Seiko Prospex-Modellreihe im Speziellen ist vor allem bekannt fรผr Taucheruhren – kein Wunder, denn insbesondere in diesem Bereich hat Seiko in den letzten Jahrzehnten mit etlichen Patenten und Innovationen Pionierarbeit geleistet. Tatsรคchlich hat Seiko aber schon Jahre vor der ersten Taucheruhr (die 62MAS im Jahre 1965) das allererste, auf eine professionelle Zielgruppe ausgerichtete Sportmodell lanciert: Die Seiko Alpinist. Nachdem sich die Optik der erstmalig im Jahre 1959 fรผr Bergsteiger lancierten Alpinist in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt hat, bringt Seiko im Jahre 2021 (passenderweise zum 140. Firmengeburtstag) eine Neuauflage auf den Markt, die sich nah am Design der Ur-Alpinist bewegt…
Eckdaten Seiko Prospex Land Alpinist SPB243J1:
- Durchmesser 39 mm
- Hรถhe 13 mm
- Horn-zu-Horn 45 mm
- Gewicht: 150 Gramm (am Stahlband)
- Wasserdichtigkeit 20 bar / 200 Meter
- Kaliber 6R35, รผber 70 Stunden Gangreserve, Handaufzugsmรถglichkeit, Magischer Hebel (beidseitiger automatischer Aufzug), Sekundenstopp
- Gewรถlbtes und entspiegeltes Saphirglas
- Edelstahlband, Faltschlieรe mit Sicherheitsdrรผcker
- Verschraubter Glasboden
- LumiBrite-Leuchtmasse
- Verschraubte Krone
- Listenpreis: 749โฌ
INHALT
Seiko Alpinist damals…
Die Geschichte der Seiko Alpinist geht zurรผck bis ins Jahr 1959: Die Seiko Laurel Alpinist markierte damals den Einstieg von Seiko in die Welt der professionellen, voll auf Funktionalitรคt gebรผrsteten Uhren. Laurel ist nicht nur der Name der allerersten Armbanduhr von Seiko im Jahre 1913, sondern auch der Name einer Sub-Marke, die damals allerdings vor allem Dresswatches beherbergte – die Seiko Alpinist tanzte aus der Reihe und war die erste waschechte Toolwatch unter der Marke Laurel. Damals, im Jahre 1913, startete Laurel รผbrigens sogar komplett ohne Seiko-Schriftzug. Erst ab 1924 kam der Name des Mutterhauses hinzu.
Die allererste Seiko Alpinist mit der Referenz 14041 wurde ursprรผnglich fรผr die sogenannten โYama-Otokoโ (japanisch fรผr Bergsteiger) und sonstige Freizeitsportler entwickelt. Funktionalitรคt, Robustheit und Resistenz gegenรผber Stรถรe und Temperaturschwankungen, eine gute Wasserdichtigkeit und eine perfekte Ablesbarkeit waren dabei die wesentlichen Anforderungen.
So kam die Seiko Laurel Alpinist mit einem Seikosha-Handaufzugkaliber mit Diashock-Stoรsicherung und 18000 bph, verpackt in einem dreiteiligen, 35 mm groรen Gehรคuse aus Edelstahl mit verschraubtem Boden, um das Eindringen von Staub- und Sandpartikeln zu verhindern. Das markanteste Merkmal des (in den Farben Schwarz und Creme erhรคltlichen) Zifferblattes waren die applizierten und รผppig mit Leuchtmasse belegten Indizes auf 12-3-6-9 Uhr, die an Bergspitzen erinnern sowie die spitz zulaufenden Dauphine-Zeiger. Die nach innen versetzte Minuterie sollte ferner bewirken, dass die Ablesbarkeit durch die starke Wรถlbung des Plexiglases nicht beeintrรคchtigt wurde. Besonders charakteristisch war auch das zweiteilige Lederband mit einer groรen Unterlage, um die Uhr vor dem Schweiร des Trรคgers zu schรผtzen.
Doch wie kam es zur … sagen wir mal speziellen … Zielgruppe der Bergsteiger? Nun, Bergsteigen hat in Japan eine lange Tradition. Kein Wunder, denn offiziell zรคhlt der Inselstaat insgesamt rund 17.000 Berge, darunter die “Japanischen Alpen”ย (japanischย ๆฅๆฌใขใซใใน,ย Nihon Arupusu) auf derย japanischenย Inselย Honshลซ, bestehend aus den Gebirgszรผgen desย Hida-Gebirgesย (Nordalpen), desย Kiso-Gebirgesย (Zentralalpen) und desย Akaishi-Gebirgesย (Sรผdalpen). In den Japanischen Alpen befinden sichย Dreitausenderย wie derย Kita-dakeย und derย Hotaka-dake. In Japan befindet sich auch der bekannte Mount Fuji, der mit 3776 Metern hรถchste Berg Japans, der von vielen als einer der schรถnsten Berge der Welt bezeichnet wird. Zum Vergleich: Die Zugspitze, der hรถchste Berg Deutschlands, ist 2962 Meter hoch.
Die Geschichte zeigt, dass vor allem Uhrenhersteller, die sich zunehmend auf Toolwatches konzentriert haben, nachhaltigen Unternehmenserfolg verbuchen konnten – sicherlich unter anderem wegen des Image-Effektes, der von Profi-Uhren wie der damaligen Seiko Alpinist auf das ganze Sortiment ausstrahlt. Alles in allem erinnert die Geschichte der Seiko Alpinist an die der Explorer I vom Schweizer Luxusuhrenhersteller Rolex.
Exkurs am Rande: Natรผrlich ist es auch kein Zufall, dass Seiko mit dem Luxusableger Grand Seiko und dem Modell SBGA211 “Snowflake” eine รผberaus beliebte Uhr im Sortiment hat, dessen strahlend weiรes, fein strukturiert und mit einer hauchdรผnnenย Silberschicht plattiertes Zifferblatt tatsรคchlich an feinenย Neuschnee erinnert, der unangetastet irgendwo auf einem japanischen Berg schlummert.ย Auch das zeigt: Die Verbundenheit der Japaner zur Welt der Berge ist groร.
Ab 1963 wurden weitere Alpinist-Modelle lanciert, allerdings nicht mehr im Rahmen der Marke Lauren, sondern innerhalb der Champion-Modellreihe. Das Design hat sich dabei schon merkbar verรคndert, die Dauphine-Zeiger beispielsweise blieben aber erhalten. Dann geriet die Alpinist zunรคchst fรผr einige Jahrzehnte in Vergessenheit.
Seiko Red Alpinist
Mitte der 1990er Jahre kam die Alpinist jedoch mit drei Automatik-Modellen mit den Kaliber 4S15ย innerhalb der Prospex-Linie zurรผck โ bekannt auch unter dem Namen “Red Alpinist“, in Anlehnung an den roten Alpinist-Schriftzug auf dem Zifferblatt. Optisch hatten diese mit der 1959er Alpinist nur noch wenig gemeinsam: als gรคnzlich neues charakteristisches Merkmal hat Seiko einen innenliegenden Kompass-Ring eingefรผhrt, der sich รผber eine zusรคtzliche Krone ansteuern lieร – das ist auch das augenscheinlichste Merkmal, das bei (fast) allen, in den folgenden Jahren lancierten Alpinist-Modellen erhalten geblieben und auch in vielen heutigen Modellen zu finden ist.
… und heute: Seiko Alpinist Prospex (2021)
Der charakteristische, innenliegende Kompassring, der รผber eine zweite Krone angesteuert werden kann, hat sich bis heute in vielen Alpinist-Modellen gehalten (zum Beispiel Seiko Prospex LAND Automatik “Alpinist” European Special SPB197J1). Im Jahre 2021 ist Seiko aber mit den “1959 Modern Reinterpretation” Alpinist-Modellen wieder einen groรen Schritt zurรผck zu den Wurzeln gegangen.
So stechen bei der Neuauflage insbesondere die charakteristischen Indizes ins Auge, die auf den Positionen 12-6-9 keil- bzw. bergfรถrmig sind. Der Keil auf “12 Uhr” ist dabei – genau wie bei der Ur-Alpinist aus dem Jahre 1959, in drei Kammern unterteilt, um die Ablesbarkeit im Dunkeln zu verbessern. Als Leuchtmasse kommt LumiBrite zum Einsatz, das dieselbe chemische Basis wie Super-LumiNova hat und dank einer dezenten, brรคunlichen Fรคrbung den Retro-Charakter des Modells unterstreicht.
Auch der leicht nach innen versetzte Minutenring hat wieder Einzug erhalten und eine feine, plastische “Abstufung” bekommen. Ebenfalls mit an Bord sind die spitz zulaufenden Dauphine-Zeiger, die knackscharf und ganz hervorragend verarbeitet sind. Schรถn: Der Sekundenzeiger kommt in einem dezenten Goldton, der die brรคunliche “Faux-Patina”-Leuchtmasse farblich stรผtzt. Das Zifferblatt wird ferner von einem feinen Sonnenschliff abgerundet, der unterschiedliche Farbnuancen zu Tage fรถrdert.
Wie bereits oben erwรคhnt, sollte die nach innen versetzte Minuterie bewirken, dass die Ablesbarkeit durch die starke Wรถlbung des Plexiglases nicht beeintrรคchtigt wird. Passenderweise setzt Seiko damals wie heute auf ein gewรถlbtes Glas – anders als Plexi kommt in der Neuauflage aber ein kratzfestes Saphirglas zum Einsatz. Allerdings hรคtte die Wรถlbung gerne deutlich stรคrker und รผber die Lรผnette herausragend, zum Beispiel wie bei der Tudor Black Bay, ausfallen kรถnnen (das hebt sich Seiko fรผr das 3000โฌ Premiummodell auf, dazu gleich mehr).
Bleiben wir beim Zifferblatt: Seiko hat bei der “1959 Modern Reinterpretation”-Alpinist (leider!) die perfekte Symmetrie der 1959er Alpinist zugunsten eines Datumsfensters auf “3 Uhr” geopfert. Ehrlich gesagt hรคtte ich gerne komplett auf das Datum verzichtet (aber ich bin ohnehin auch kein groรer Fan davon). Immerhin hat das Datumsfenster einen schicken, polierten Edelstahlrahmen spendiert bekommen.
Auch das moderne Prospex-“X” oberhalb des “Automatic”-Schriftzuges wirkt bei einem Retro-Modell wie der Alpinist SPB243J1 irgendwie fehl am Platz. รhnliches gilt fรผr den Wasserdichtigkeits-Hinweis “20 bar”.
Mit 39 mm Durchmesser und 45 mm Horn-zu-Horn ist die Seiko Alpinist SPB243J1 auf dem Papier eher kleiner dimensioniert, was grundsรคtzlich auch gut zu einer Retro-Uhr passt (wir erinnern uns: die ursprรผngliche Grรถรe der 1959er Alpinist betrug 35 mm). Praktisch wirkt das Modell SPB243J1 auch deutlich kleiner als die nach wie vor erhรคltlichen, moderneren Alpinist-Modelle mit innenliegendem Komprassring, die mit ausladendem Kronenschutz und zweiter Krone kommen. Im Vergleich wirkt das Gehรคuse der Referenz SPB243J1 deutlich schlichter und dressiger. Herren mit schmalen Handgelenken (oder Damen) dรผrft’s freuen – an meinem Handgelenk mit 19 cm Durchmesser wirkt die Alpinist SPB243J1 leider etwas verloren.
Die Seiko Alpinist SPB243J1 wird vom Automatik-Kaliber 6R35 mit einer mehr als ordentlichen Gangreserve von 70 Stunden angetrieben – zum Vergleich: Standardkaliber wie das Sellita SW200 kommen auf nicht mal 40 Stunden. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass die hohe Gangreserve mit einer vergleichsweise niedrigen Frequenz von 21600 bph “erkauft” wird (gegenรผber 28800 beim SW200) – das sorgt in der Praxis fรผr einen nicht ganz so schรถn schleichenden Sekundenzeiger. Darรผber hinaus gilt, dass hochfrequentere Uhren grundsรคtzlich genauer sind: Sie kรถnnen die alltรคglichen Stรถรe und Erschรผtterungen schneller kompensieren als niederfrequente Uhren, d.h. sie geraten fรผr einen geringeren Zeitraum aus dem Takt und legen damit in der Summe eine kleinere Gangabweichung an den Tag.ย Dennoch kann man festhalten, dass das 6R35 in der mir vorliegenden SPB243J1 mit +5 Sekunden pro Tag eine mehr als ordentliche Ganggenauigkeit an den Tag legt.
Fazit: Seiko Alpinist Prospex (2021)
Die “1959 Modern Reinterpretation” Alpinist-Modelle sind in der Summe eine sinnvolle Ergรคnzung zu den deutlich moderner wirkenden Alpinist-Modellen mit Kompassring: Die Retro-Umsetzung ist (mit kleineren Abstrichen, siehe Prospex-Logo, Datum) gelungen, die Detailqualitรคt mit Blick auf den Preis ganz hervorragend (Zifferblatt, Indizes, Zeiger, Gehรคuse). Nur das (zum Quietschen neigende) Stahlband will nicht so recht ins Bild passen – ein schรถnes Lederband dรผrfte die Retro-Optik der Alpinist deutlich besser abrunden. Und auch, wenn es eigentlich mรผรig ist darรผber zu schreiben, hรคtte ich mir gut einen etwas grรถรeren Durchmesser von 40 oder 41 mm vorstellen kรถnnen – aber das ist am Ende des Tages natรผrlich Geschmackssache (mehr รผber Uhrengrรถรen).
รbrigens: Es gibt auch Varianten der Retro-Alpinist mit cremefarbenem (SPB241J1), grรผnem (SPB245J1) und blauem Zifferblatt, das sich optisch am Kopfsteinpflaster im japanischen Ginza-Viertel in Tokio orientiert (SPB259J1). In Form der Referenz SJE085J1 ist auch eine auf 1959 Stรผck limitierte Premium-Variante mit dem Kaliber 6L35 fรผr 3000โฌ erhรคltlich.
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Ich kann die Einschรคtzung zur Grรถรe an einem Arm mit 19 cm Umfang nicht teilen.
Ich hab einen gleich starken Arm und finde, sie passt gut. Natรผrlich ist sie deutlich dezenter als meine Turtle oder auch andere mit 40-42 mm. Aber das soll sie ja auch sein. Es ist eine universelle Uhr, die sowohl zu Shorts an der Beachbar als auch zum Jacket im Restaurant passt. Und sie ist robust genug, um auch auf dem Wasser oder in den Bergen ( quasi natural habitat ๐) voller Vertrauen getragen werden zu kรถnnen. Fรผr mich eine gรผnstige Alternative zur Ex1.
Danke fรผr deine Einschรคtzung!
Guter Artikel, danke! Die Uhr steht schon auf meiner Liste. Bei einem Handgelenksdurchmesser von 19 cm glaub ich รผbrigens gern, dass die Uhr verloren wirkt. Handelt es sich hier um den Wert des Umfangs? Dann hรคtt ich nรคmlich das gleiche Problem…
Jup das ist mein Handgelenkumfang