Bei vielen Breitling-Freunden hat sich der neue Geschรคftsfรผhrer Georges Kern nicht grade beliebt gemacht. Der Grund: Unter dem Banner der Kult-Modellreihe Navitimer haute Kern kurz nach dem Amtseintritt ein paar eher klassische Modellvarianten raus, die so rein gar nichts mit dem Testosteron versprรผhenden Chronographen mit Rechenschieberfunktion zu tun hatten, der die Marke groร gemacht hat. Hat man sich von der DNA der historischen Chronographen-Ikone und dem maskulinen Fliegeruhren-Marken-Kern verabschiedet?*
* wer den Wortwitz findet darf ihn behalten
Georges Kerns Vorgehen ist grundsรคtzlich nachvollziehbar (und leider auch unvermeidbar, da seit 2017 der Finanzinvestor CVC die Mehrheit der Anteile an Breitling hรคlt): Eine breitere Zielgruppe und vor allem den asiatischen Markt erreicht man nun mal nicht so umfassend mit groรen, lauten Piloten-Uhren, denen auch ein gewisses Macho-Image anhaftet – letzteres wurde รผber die letzten Jahre ja auch bewusst von Breitling รผber Werbespots mit leicht bekleideten Frauen und mรคnnlichen Piloten mit Dreitagebart befeuert – wie dieser hier aus dem Jahre 2015:
In einem Interview mit Capital sagte Kern zwar versรถhnlich: โ[…] wir wollen weder asiatisch werden noch unsere Wurzeln verleugnen […] Wir wollen die Historie wieder aufleben lassen.โ Die Schubladen seien voll von tollen Geschichten.
Geschichten wie die, dass Breitling – ausgehend vom Know-How im Bereich Borduhren – spรคter auch die Konzeption eines โArmaturenbrettes fรผr das Handgelenkโ in Angriff genommen hat. Die Idee fรผr einen Chronographen mit Rechenschieberlรผnette fรผr die Navigation war geboren. 1952 prรคsentierte Breitling dann die erste Navitimer.
Viel gekommen ist aber von Georges Kern aus meiner Sicht nicht – bisher jedenfalls. Denn kรผrzlich wurde die Neuauflage der Breitling Navitimer 806 aus dem Jahre 1959 angekรผndigt und meine Augen haben ganz schรถn zu leuchten begonnen…
Breitling Navitimer Ref. 806 1959 Re-Edition
Ich liebe historische Neuauflagen und mit der Breitling Navitimer Ref. 806 1959 Re-Edition hat das in Grenchen ansรคssige Unternehmen meiner Meinung nach voll ins Schwarze getroffen. Denn: Breitling wagt keine Experimente, sondern hรคlt sich fast schon penibel nah am Original – hier ein Vergleichsbild (rechts: das Original der Navitimer 806 aus dem Jahre 1959, links: Neuauflage):
Das Original wurde mit der Re-Edition alles in allem meiner Meinung nach hervorragend getroffen: Von der “Perlen”-Lรผnette (mit exakt 94 Perlen) รผber den Schliff bzw. Gehรคuse-Finish, die von Hand aufgebrachte braune Leuchtmasse bis hin zu jedem noch so kleinen Detail auf dem Zifferblatt – alles wirkt sehr liebevoll und durchdacht umgesetzt.
Toll: Anstelle von Saphirglas verwendet Breitling originalgetreu-gewรถlbtes Acryl-Glas, welches den Retro-Charakter der Neuauflage hervorragend unterstreicht.
Auch der charakteristische Breitling-Schriftzug in Grossbuchstaben und einem unsignierten Flรผgellogo blieb erhalten. Gut zu wissen: Dieses Logo wurde nur fรผr europรคischen Markt verwendet, wรคhrend die in den USA verkauften Uhren mit einem signierten AOPA-Logo (Aircraft Owners and Pilots Association) versehen waren.
Sogar der Gehรคuseboden entspricht dem unspektakulรคren Original – hier hรคtte es meiner Meinung nach aber durchaus gerne ein Boden mit schicker Jubilรคums-Prรคgung oder ein Glasboden sein dรผrfen (Bilder gibt’s bei den Blogger-Kollegen von Fratello).
Nur bei genauem Hinsehen entdeckt man kleinere optische Unterschiede: Die Gehรคusegrรถรe ist beispielsweise moderat angestiegen – auf 40,9 mm anstelle der historisch korrekten 40 mm. Auch die Chronographendrรผcker haben einen grรถรeren Abstand zur Krone, was durch das neue Handaufzugwerk bedingt ist: tickte in der Original Breitling Navitimer 806 noch das Venus 178 Handaufzugkaliber, ist es nun das COSC-zertifizierte Breitling B09 Manufakturkaliber (auf Basis des B01) mit satten 70 Stunden Gangreserve und Schaltradmechanismus (!). Ein Schaltrad-Kaliber istย deutlich aufwendiger in der Herstellung als gรคngige Chronographenkaliber mit sogenannter Kulissensteuerung, weshalb solche Werke heutzutage kaum noch verbaut werden. Dank des Schaltradmechanismus dรผrften die Chronographendrรผcker der Navitimer 806 Re-Edition knackig-satt zu bedienen sein.
Breitling schreibt in der Pressemitteilung zur Navitimer 1959 Re-Edition: “Breitling lanciert die erste Neuauflage eines historischen Zeitmessers, und fรผr die Zukunft sind weitere geplant.” Da sage ich nicht nein, wenn die weiteren Neuauflagen auch so genial werden ๐ Schade: Leider kommt die Breitling Navitimer Ref. 806 1959 Re-Edition in einer Limitierung von 1959 Stรผck.
Trotz des eher knackig wirkenden Preises in Hรถhe von 7700โฌ gehe ich davon aus, dass die 1959 Uhren ratz-fatz ausverkauft sein werden. Denn: Das Original ist nur selten in ordentlichem Zustand bei seriรถsen Hรคndlern zu bekommen und wenn, dann nicht grade gรผnstig: Im Mรคrz 2019 beispielsweise war bei Juwelier Ralf Hรคffner die Navitimer 806 fรผr knapp 14000โฌ im Angebot…
Eckdaten der Breitling Navitimer 806 1959 Re-Edition in der รbersicht:
- Referenz AB0910371B1X1
- B09 Schaltrad-Manufakturkaliber mit Handaufzug, COSC-zertifiziert
- 40,9 mm Gehรคusedurchmesser, Hรถhe 13,43 Millimeter
- Acrylglas, gewรถlbt
- Lรผnette beidseitig drehbar, mit Rechenschieber
- Wasserdichtigkeit 3 bar / 30 Meter (spritzwassergeschรผtzt)
- Super-LumiNovaยฎ-Ziffern, -Stunden- und -Minutenzeiger
- Schwarzes Lederarmband im Vintage-Stil mit Dornschliesse, 22 mm Bandanstoร
- UVP 7700โฌ
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Beim B01 Schaltradkaliber reden Sie immer wieder davon, daร sich das B01 (und seine Derivate) aufgrund des Schaltrades, knachig sanft und leicht bedienen lassen dรผrften. Soweit ich in anderen Beitrรคgen richtig gelesen habe, besitzen Sie zumindest eine Breitling mit dem B01 (die Navitimer). Ich gehe davon aus, sie haben dort den Chronographen schon mal bedient.
Ich habe drei Breitling Uhren mit diesem Kaliber, die Navitimer 01 – 46mm, die Transocean GMT in Rosegold als limited 200 (B04, Basis B01) und die Premier Bentley 01 – 42mm (B01). Bei keiner dieser drei Uhren kann auch nur annรคhernd davon die Rede sein, dass die Bedienung aufgrund des Schaltrades knackig sanft und leichtgรคngig sei. Im Gegenteil:
Der Druck der zum Auslรถsen einer Stoppung nรถtig ist, ist schon brutal. Man hat teilweise Angst etwas zu zerstรถren, wenn man noch fester drรผckt. Der Druckpunkt ist deutlich hรคrter als bei jeder Uhr mit 7750 (obwohl ”nur” Kulisse). Selbst das Kaliber 39 von Glashรผtte Original in der Senator Sixties, welches ebenfalls nur mit Kulisse schaltet, ist geschmeidiger als das 7750 und das B01 zusammen.
Knackig sanft und leichtgรคngig, das kรถnnen offenbar nur die alten, klassischen Konstruktionen, auf denen heute nur noch wenige Schaltradkaliber basieren (z.B die Minerva Kaliber in den Montblanc Villeret Uhren). Die meisten Neukonstruktionen von Kaliber B01 รผber Omega 9300 oder selbst das Kaliber 37 von GO sind offenbar so ungรผnstig konstruiert, daร der ehemalige Vorteil des Schaltrades gegenรผber der Kulissenschaltung bei der Bedienung quasi nicht mehr vorhanden ist. Ich kann bei diesen Kalibern jedenfalls im Druckpunkt nicht feststellen, daร sie leichter bedienbar sind als das 7750.
Moin moin,
danke fรผr Ihren Input. Ich habe mir direkt noch mal ein paar Uhren zum Vergleich geschnappt.”Leichtgรคngig” ist hier vielleicht wirklich nicht das richtige Wort, da gebe ich Ihnen recht. Allerdings bleibe ich dabei, dass das B01 den deutlich satteren/knackigen Druckpunkt hat (Pre-Kern Navitimer). Im Vergleich dazu fรผhlt sich das beim ETA 7750 fast schon etwas “billig” an. Aber das ist natรผrlich nur mein subjektives Empfinden.
Deutlich leichtgรคngiger ist der Druckpunkt tatsรคchlich beim Calibre Heuer 01 in meiner TAG Heuer Carrera (Seiko-Basis, auch Schaltrad). Aber auch hier finde ich, dass der knackige Druckpunkt des B01 den hรถherwertigeren und angenehmeren Eindruck macht.
Viele Grรผรe
Mario
Hallo,
in jedem Metier in dem der Mensch mit schรถnen Dingen und geistreichen Inhalten unterwegs ist, gibt es Champions die es, fern jeder Minderwahl, sind und bleiben. Musik von Beethoven, Bilder von Rembrandt, Dichtungen von Goethe, Whisky von Macallan, Autos von RR. Zu allen lieรe sich eine Top 10 ohne explizite Reihenfolge erstellen.
Bei Uhren gehรถrt der Breitling Navitimer zu den ersten zehn. M.E.n. ohne Diskusion.
Wie in Thomasยด Kommentar, geht es mir รคhnlich.
Besessen (806er), verkauft, Verlustgefรผhl, Replik besorgt, die mich nun immer wieder
daran erinnert mir eine neue zuzulegen. Und sei es die von Sinn
(Die Markengeschichte erlaubt dies ja).
Bei der Sinn 903 wรคre ich auch schon mal fast schwach geworden. Allerdings ist meiner Meinung nach der Preisunterschied zur Navitimer (Standard-Variante ohne Limitierung) zu klein, um nicht doch eher Richtung “Original” zu schielen.
Ich mach jetzt mal den “bรถsen Buben” bzw. den Ignoranten ๐ Ich finde zwar das Jubilรคumsmodell wirklich gut gelungen (im Vergleich zum Original von damals). Im Gegensatz zu Thomas und Mario konnte ich so รผberladenen Uhren jedoch noch nie was Positives abgewinnen. Fรผr mich waren das irgendwie immer “Poser-Wecker”, bei denen mir wahrscheinlich nicht mal jeder vierte Trรคger einer solchen Uhr erzรคhlen kann, was die vielen Anzeigen sind und und wie man sie korrekt bedient. Und ich denke, noch viel weniger Leute nutzen sie dann tatsรคchlich fรผr irgendwas. Insofern hab ich das immer als extrem sinnloses Schmuckwerk erachtet, das nur die Ablesbarkeit verschlechtert. Aufgerรคumte, ruhige dials sind mir da wesentlich lieber. Auch wenn man mir dann keine Kapitรคns-Kompetenzen zutraut.
Trotzdem finde ich es toll, dass die das gemacht haben. Man darf schon stolz sein auf die Berรผhmtheiten aus dem eigenen Haus!
Danke fรผr deine Gedanken, Rene ?
Die aktuellen Navitimer finde ich tatsรคchlich auch etwas zu poserhaft, bei dieser Retro-Variante komme ich aber tatsรคchlich ins Grรผbeln ?
Insgesamt kann ich Deine Aussagen nachvollziehen. Ansich mag ich die “Aufgerรคumten” auch.
Aber zur Aussage: “und wie man sie korrekt bedient.” – wir durften nur mit dem Rechenschieber unser Abi machen ;-).
Eine der schรถnsten Uhren, die je gebaut wurden – m.M.
Meine, die ich von meinem “alten Herren” 1957 zur Geburt geschenkt bekommen hatte – und nie tragen, geschweige denn damit spielen durfte – habe ich Blรถdmann dann mit 18 gegen einen Simca II eingetauscht – der hat nicht mal 2 Jahre gehalten. Als dann das erste รผberflรผssige Geld da war, habe ich mir in memoriam an meinen Vater wieder eine gekauft. Glatte 22.ยด (noch DM) habe ich dafรผr auf den Tisch gelegt. Bei einem Einbruch ist sie dann u.a. auch abhanden gekommen. Die Versicherung hat nicht beglichen, da in der Police was von “Wertsachen seien im Safe zu verwahren” stand. Habe dann vor Frust – da ich zu der Zeit mein Geld besser wo anders angelegt hatte – ne gute Replika fรผr 498$ gekauft, die mit einem Asian 7750 ausgerรผstet war. Hat kein Jahr gehalten – liegt aber – “in memoriam” – immer noch in der Uhrenkiste. Irgendwie kann ich mich nicht davon trennen und schaue sie mir bei einem Uhrenwechsel auch immer mal wieder genauer an – ist halt – auch als Replic – ne geile Uhr
Spannende Geschichte, Thomas! Kommst du denn jetzt bei der Neuauflage auf “dumme” Ideen? ๐
Ehrlich ????
Nein. Ich habe noch 2 Original-Brรคtlinge. Eine Avenger Seawolf und eine 46er Super Ocean Heritage.
Ich bin mittlerweile so weit nicht รผber 8 Kโฌ ausgeben zu mรผssen um eine schรถne Uhr zu besitzen. Klar reizt es einen, aber danke Deiner ge…n Seite hier, habe ich auch in letzter Zeit mal bei den Microยดs geschaut und gekauft.