Hallo liebe Chrononautix-Leser! Heute widmen wir uns einem Thema, das vielen von euch sehr wichtig ist: Die Wasserdichtigkeit. Allerdings gehe ich nicht direkt auf die Wasserdichtigkeit, sondern auf die dafür verantwortlichen Komponenten, ein: die Dichtungen. Die Dichtungen spielen eine entscheidende Rolle, um eure Zeitmesser vor den alltäglichen Herausforderungen, wie Wasser und Staub, zu schützen. Diese unscheinbaren und oft sehr unterschätzten Komponenten gewährleisten die Langlebigkeit und Zuverlässigkeit der Uhr, indem sie das Eindringen unerwünschter Stoffe verhindern.
[Beitrag von Leon Zihang, Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com] |
Materialien und Formen von Gehäusedichtungen
Gehäusedichtungen bestehen hauptsächlich aus elastischen Materialien, die sich durch ihre Flexibilität und Beständigkeit auszeichnen. Häufig verwendete Werkstoffe sind Elastomere. Diese gummiartigen Materialien, wie Nitrilkautschuk (NBR), Fluorkautschuk (FKM) und Silikon sind aufgrund ihrer Elastizität und Beständigkeit gegenüber verschiedenen Umwelteinflüssen besonders geeignet. Bestimmte Glasdichtungen werden aber auch aus speziellen Kunststoffen gefertigt, die eine hohe Formstabilität und Beständigkeit bieten. Problem bei diesen sehr formstabilen Dichtungen, wie den Glasdichtungen, ist allerdings, dass diese auch sehr leicht verdrückt werden können. Wenn man beim Einpressen des Glases mit dem Glas nur leicht verkantet, verdrückt man die Dichtung und kann diese in den meisten Fällen gleich wegschmeißen. Durch die Formstabilität des verwendeten Kunststoffs kann man diese nahezu nie wieder in die Ursprungsform zurückbringen.
Manche Marken bewerben ihre Dichtungen aus FKM, da diese in Bezug auf die meist verwendeten Dichtungen aus NBR gegenüber Chemikalien und aggressiven Ölen eine höhere Beständigkeit aufweisen. Auch in Bereich der Temperaturbeständigkeit zeigen FKM Dichtungen bessere Leistungen. Allerdings sind FKM-Dichtungen auch um einiges teurer als die NBR Dichtungen. Bei Dichtungsherstellern findet man die Aussage, dass bei bestimmten Hochleistungsanwendungen die Leistungsvorteile den Kostenunterschied ausgleichen können. Nun ist nur die Frage, ob die Abdichtung einer Uhr unter eine Hochleistungsanwendung betrachtet werden sollte. Wenn man sich die derzeitige Industrie und deren Maschinen vor Augen führt, glaube ich kaum, dass es sich bei einer Uhr um eine Hochleistungsanwendung handelt und sich der Mehrpreis der Dichtungen rechtfertigen könnte.
O-Ringe, Flachdichtungen und Profildichtungen
Die Formen der Dichtungen variieren je nach Einsatzort und Funktion. Typische Ausführungen sind O-Ringe, Flachdichtungen und Profildichtungen.
O-Ringe sind die vermutlich bekanntesten kreisförmigen Dichtungen mit rundem Querschnitt. Sie werden meist in Nuten eingelegt und dichten dort durch Verpressung ab. (Bild 1 links)
Flachdichtungen sind flache, ringförmige Dichtungen, die zwischen zwei Flächen liegen und durch Anpressdruck abdichten. Meist werden solche Dichtungen von Rolex als Bodendichtungen verwendet. (Bild 1 Mitte)
Profildichtungen sind Dichtungen mit spezifischen Querschnittsprofilen, die für besondere Anwendungen entwickelt wurden. Die meisten Profildichtungen findet man bei den Glasdichtungen. Hier wird meistens eine sogenannte I-Dichtung verwendet, welche im Querschnitt einem I gleicht. Diese Dichtungen besitzen an zwei Kanten eine Phase, damit man das Glas besser aufsetzen und einpressen kann. So wird die Gefahr des Verkanten des Glases verringert und es findet beim Einpressen eine bessere Führung. (Bild 1 rechts)
Glasdichtungen: Farben und Materialien
Glasdichtungen oder auch Lünetten-Dichtungen findet man oft auch in anderen Farben. Meist aber rot oder weiß. Diese Farben können auf unterschiedliche Materialien oder spezifische Anwendungen hinweisen:
Rote Glasdichtungen: Die rote Färbung kann auf die Verwendung von bestimmten Elastomeren oder Silikon hindeuten, die für ihre Flexibilität und vor allem ihre Temperaturbeständigkeit bekannt sind.
Weiße Glasdichtungen: Weiße Dichtungen sind der Standard und bestehen häufig aus Kunststoffen wie PTFE oder bestimmten Silikonarten, die für ihre chemische Beständigkeit und geringe Reibung geschätzt werden. Insbesondere die chemische Beständigkeit darf nicht vernachlässigt werden, wenn man bedenkt, wie oft unsere Hände/Handgelenke mit bestimmten Chemikalien oder anderen aggressiven Flüssigkeiten in Kontakt kommen (Schweiß, Putzmittel oder Chlor im Schwimmbad …). Gerade am Handgelenk bzw. an der Uhr werden diese nicht immer direkt abgespült und haben alle Zeit der Welt, um zu wirken. Dies hat schon einige Dichtungen an ihre Grenzen gebracht. Deutlich wird dies oft durch spröde brüchige Dichtungen.
Bodendichtungen: Materialien und Einbauhinweise
Die Bodendichtung einer Uhr, die den Gehäuseboden abdichtet, besteht in der Regel aus schwarzen Elastomeren, wie NBR oder FKM. Diese Materialien bieten eine hervorragende Beständigkeit gegenüber Alterung und Temperaturschwankungen.
Beim Einbau und der Pflege von Bodendichtungen sollten folgende Punkte beachtet werden: Die Dichtung muss gleichmäßig in ihrer Nut sitzen, ohne Verdrehungen oder Dehnungen, um eine optimale Abdichtung zu gewährleisten. Beim Verschrauben oder Aufsetzen des Bodens ist darauf zu achten, dass die Dichtung nicht aus ihrer Nut springt und dadurch zur stark gequetscht wird. Zusätzlich sollten Dichtungen immer gefettet werden. Das leichte Einfetten der Dichtung mit einem speziellen Fett kann die Montage erleichtern und die Lebensdauer der Dichtung verlängern. Üblicherweise wird hier Fomblin verwendet. Dieses Fett hat eine Temperaturbeständigkeit von -30°C bis 150°C und hält somit den üblichen Temperaturschwankungen am Handgelenk eines Trägers problemlos stand. Zudem ist es widerstandsfähig gegen Oxidation und chemische Mittel.

Kronendichtungen: Aufbau und Funktion
Die Krone einer Uhr stellt eine besondere Herausforderung für die Abdichtung dar. Bis jetzt haben wir uns nur statische Komponenten, wie die Boden- oder Glasdichtung, angesehen. Die Krone ist aber ein direkter Zugang in das Innere der Uhr bis hin zum Uhrwerk und muss dauerhaft beweglich bleiben, um Funktionen, wie das Einstellen der Zeit oder das Aufziehen des Uhrwerks, zu ermöglichen.
Zusätzlich muss man beachten, dass nicht jeder so zärtliche Uhrmacherfinger, wie ich, besitzt und der ein oder andere die Krone etwas gröber bedient. Ein klassischer Fehler ist die Krone beim Aufziehen mit nur einem Finger aufzuziehen und mit Druck über den Finger gleiten zu lassen. Der Krone werden hier sehr große axiale Kräfte ausgesetzt, welche zum einen zum „Eiern“ der Krone führen können und zum anderen wird die Krone stark gegen den Tubus gedrückt und hoher Reibung ausgesetzt. Die Krone sollte also immer mit zwei Fingern gleichmäßig aufgezogen werden. Schaue dir hierfür gerne mein Reel auf Instagram an.
Die Abdichtung der Krone wird typischerweise durch verschiedene Konstruktionen realisiert:
#1 Krone mit innenliegendem Dichtungsring: Hier befindet sich ein Dichtungsring innerhalb der Krone, der am Tubus (dem Rohr, durch das die Aufzugswelle in das innere der Uhr führt) anliegt. Diese Konstruktion bietet Schutz gegen Staub und ist meist spritzwassergeschützt, wird jedoch oft als wasserdicht bezeichnet. (Bild 2)
#2 Verschraubte Krone mit zwei Dichtungen: Bei dieser Variante ist die Krone verschraubt und verfügt über zwei innenliegende Dichtungen. Wieder eine Dichtung, die sich zwischen Krone und Tubus befindet und eine Dichtung, die ganz hinten in der Krone liegt und beim Zuschrauben gegen die Stirnseite des Tubus gepresst wird. Diese Konstruktion bietet eine hohe Wasserdichtigkeit, jedoch sollte die Krone unter Wasser nicht bedient werden. (Bild 3)
#3 Verschraubte Krone mit drei Dichtungen: Zusätzlich zu den beiden inneren Dichtungen befindet sich eine weitere Dichtung zwischen Tubus und Gehäuse, was eine noch höhere Sicherheit der Wasserdichtigkeit bietet. Bei den vorherigen Varianten wurde die Abdichtung zwischen Gehäuse und Tubus ausschließlich durch die Fügung des Gewindes und die dort eingebrachte Schraubensicherung/Kleber gewährleistet. Die zusätzliche Dichtung bietet dort nun mehr Sicherheit. (Bild 4)
#4 Verschraubte Krone mit vier Dichtungen: Hier ist eine zusätzliche Dichtung innerhalb des Tubus integriert. Diese Konstruktion gilt als hochgradig wasserdicht und bietet sogar bei der Bedienung der Krone noch Schutz vor Spritzwasser, da hier zwei Dichtungen auch während der Bedienung am Tubus anliegen. Aber Achtung! Sollten zu große axiale Kräfte beim Aufziehen auf die Krone wirken, können die Dichtungen so stark gedrückt werden, dass eine Lücke entsteht, durch die das Wasser durchdringen kann. Deshalb auch hier wieder die Krone mit zwei Fingern bedienen und auch nur bei Spritzwasser. Unter Wasser ist der Druck zu hoch und es könnte trotzdem Wasser in die Uhr eindringen. (Bild 5)
Dichtungen bei Chronographen-Drückern
Bei Chronographen stellen die Drücker weitere potenzielle Eintrittspunkte für Wasser und Staub dar. Eine gängige Konstruktion beinhaltet eine Dichtung, die an der Drückerschraube befestigt ist und an der inneren Wand des Tubus entlang gleitet. (Abbildung 6) Diese Dichtung muss flexibel genug sein, um die Bewegung des Drückers zu ermöglichen, gleichzeitig aber dicht genug, um das Eindringen von Wasser und Staub zu verhindern. Genau wie bei den Kronen gibt es hier mehrere Varianten der Abdichtung, wie zum Beispiel eine zusätzliche Dichtung zwischen Drückerkopf und Außenwand des Tubus.
Gehäusedichtungen sind essenzielle Komponenten in der Uhrmacherei, die maßgeblich zur Langlebigkeit und Zuverlässigkeit eines Zeitmessers beitragen und deren Wichtigkeit ganz oft unterschätzt wird. Die Wahl des richtigen Materials, die präzise Fertigung und der korrekte Einbau sind entscheidend, um den optimalen Schutz vor Wasser und Staub zu gewährleisten. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den beweglichen Teilen wie der Krone und den Drückern, bei denen eine Balance zwischen Beweglichkeit und Abdichtung gefunden werden muss.
Bitte beachtet auch die folgenden Hinweise zur angeschriebenen und realen Wasserdichtigkeit der Uhr. Hier gibt es oft Missverständnisse, die schon oft zu bösen Überraschungen geführt haben. Um es kurz zu machen: Mit einer 100Meter wasserdichten Uhr kann man nicht 100 Meter tief tauchen. (siehe Abbildung 7)
Ich freue mich über eure Rückmeldung in den Kommentaren und bis zum nächsten Technik Bericht! 😊
Euer Leon von ChronoRestore!
Mehr:
Wasserdicht bis 10 atm & Co. – was bedeuten diese Angaben auf einer Uhr?
Hallo Leon,
ich finde bei Vintageuhren immer wieder mal Bleidichtungen. Manche davon sind verquetscht, andere zerbröseln zu Bleistaub- Wie sollten diese Bleidichtungen ersetzt werden?
Beste Grüße
Hey Georg,
ja, das ist eine sehr gute Frage! Ich denke da scheiden sich die Geister. Je nachdem an welcher Stelle die Dichtungen eingesetzt wurden und welchen Belastungen sie dort ausgesetzt werden variiert das. Es bleibt aber meist nichts anderes übrig als auf die neuen Dichtungen aus Kautschuk usw. zurückzugreifen und einfach das bestpassendste zu nutzen. Oftmals findet man auch gar keinen Ersatz und muss leider einfach damit leben, dass man diese Uhr nicht mehr dicht bekommt.
VG Leon