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Kleine, unabhängige Uhrenmarken, sogenannte Micro-Brands, sind seit ein paar Jahren kaum noch aus der Uhrenwelt wegzudenken – die Nischen-Player bieten häufig sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, weshalb ihr auf diesem Blog auch viel darüber lesen könnt. Leider geht einigen Micro-Brands etwas der Geist eines Start-Ups abhanden, indem sie sich im vermeintlich sicheren Hafen der klassischen Taucher-/Bauhaus-Uhren-Designs im Preisbereich 200-600€ bewegen. Getreu dem Motto: Lieber nicht zu viel Neues wagen. Das kann man der 2016 auf den Markt gebrachten Micro-Brand CODE41 keineswegs vorwerfen: Ich wurde schon von mehreren Lesern angesprochen doch mal etwas über die Schweizer Marke zu schreiben, insbesondere mit Blick auf deren erfrischend anderen, transparenten Ansatz. Gesagt, getan! 😉

Das neue, hier vorgestellte Modell X41 hat CODE41 bereits im März 2019 lanciert – für einen Stückpreis von rund 4.000,00€ (erste Serie). Bevor ihr euch nun fragt, ob ich vielleicht in der Kommastelle verrutscht bin: Nein, das ist nicht der Fall 😉 Der Preis kommt durch ein ganz besonderes Uhrwerks-Merkmal zustande, welches 500 Kunden dazu bewegt hat, die erste X41-Serie innerhalb weniger Stunden (!) leerzuräumen. Auch in der deutschen Community hat das Konzept der X41 und von CODE41 im Allgemeinen ein durchaus beachtliches Interesse geweckt. Was hinter CODE41 steckt, welches absolute Alleinstellungsmerkmal das Modell X41 bietet und wie der Preis der nunmehr dritten Serie (Vorverkauf ab dem 30. Oktober 2019) zustande kommt, zeige ich euch in diesem Blog-Beitrag…

[UPDATE Juni/Juli 2021: Die CODE41 X41 ist mittlerweile in einer verbesserten Edition 5 erhältlich]

Eckdaten CODE41 Modell X41:

  • 100% in der Schweiz entworfenes, hergestelltes und montiertes Automatikwerk mit peripherem Rotor, 45 Stunden Gangreserve, 28.800 bph, Ganggenauigkeit -2 bis +10 Sekunden pro Tag (getestet und reguliert in 5 Positionen)
  • Durchmesser: 42 mm / Höhe: 11,7 mm
  • Gehäuse aus Titan Grad 2
  • Saphirglas (Vorder- und Rückseite)
  • Wasserdichtigkeit 50 Meter / 5 bar
  • Gewicht: 55g / 85g mit Lederarmband
  • Lederband, Anstoß 24mm / Austausch ganz ohne Werkzeuge möglich
  • Preis, dritte Serie (Vorverkauf ab 30.10.2019): 5500€ (Einfuhrumsatzsteuer und Zoll sind bereits inklusive)
  • Geplante Auslieferung im Januar 2020

CODE41 Uhren und die Kosten-/Herkunfts-Transparenz

CODE41 ist in einer ähnlichen Preisregion gestartet wie viele andere Micro-Brands: Im Jahre 2016 (zunächst noch unter dem Namen “Goldgena“, bevor der Schwenk auf die Marke “CODE41” in Anlehnung an die internationale Vorwahl der Schweiz 0041 kam) brachten die Schweizer rund um den Designer und CEO Claudio D’Amore, der schon für TAG Heuer und Montblanc tätig war, mit einer Kickstarter-Kampagne die Modelle Anomaly-01 und Anomaly-02 auf den Markt. Ausgestattet waren die Uhren mit einem Miyota 82S7 bzw. ETA 2824 Automatikwerk mit Preisen ab rund 500 Schweizer Franken. So weit, so unspektakulär.

Neu war damals allerdings die Botschaft, völlige Kosten- und Margen-Transparenz zu bieten und gleichzeitig kritisch mit dem Finger auf das “Swiss Made”-Label zu zeigen. Für die beiden Anomaly-Modelle wurden Kosten in Höhe von rund 200 US-Dollar kommuniziert – aufgesplittet nach Gehäuse (60$), Werk (35$ bzw. 80$), Zifferblatt (50$) etc. Die Marge wurde mit einem Faktor von 3,5 benannt. Produktionsstandort: China.

Die Schweizer sind dabei – mit Blick auf die Marketingkommunikation – besonders offensiv vorgegangen. Im Gepäck waren einfache, aber im Kern wahre Botschaften, welche verdeutlichen sollten, dass das “Swiss Made” Label aufgrund des hohen Schweizer Lohnniveaus problemlos auf Uhren gedruckt werden kann, die tatsächlich (fast) ausschließlich aus asiatischen Komponenten bestehen. Beispiel gefällig? Die Swatch-Gruppe ließ (lässt?) für Marken des mittleren Preissegments wie Tissot die Zifferblätter in Thailand herstellen – delikaterweise inklusive „Swiss Made“-Schriftzug.

Ich bin kein Fan von allzu markigen Sprüchen, die mit der Werbetrommel in die Gegend posaunt werden (CODE41: “Ist dies das Ende für Swiss Made in der Uhrenindustrie?”). Und dennoch: Man muss einfach festhalten, dass “Swiss Made” ohne allzu größeren Aufwand ad absurdum geführt werden kann. Und genau das bringt CODE41 sehr gut auf den Punkt. In diesem Artikel habe ich mich dem Thema Swiss Made bereits sehr kritisch angenommen. Übrigens: Die X41 hat nach Angaben von CODE41 einen Schweizer Wertschöpfungsanteil von 90% und würde somit die Swiss Made-Bedingungen locker erfüllen. Trotzdem verzichtet CODE41 konsequenterweise auf das Label.

Das transparente Konzept kam bei der ersten Kickstarter-Kampagne von CODE41 sehr gut gut an: Rund 500.000€ wurden per Crowdfunding eingesammelt. Zum Vergleich: Andere Micro-Brands schaffen grade mal so ein Zehntel, wenn überhaupt. Darum verfolgt CODE41 verständlicherweise auch bei der neuen X41 den Ansatz der Kosten- und Herkunftstransparenz – folgendes wird kommuniziert:

KomponenteKostenHerkunft
Uhrwerk1.620 CHF / 1.435 €Schweiz
Gehäuse aus Titan, Sichtboden145 CHF / 128 €China
Lederband / Faltschließe30 CHF / 26 €Italien/China
Montage30 CHF / 26 €Schweiz
Verpackung (Box)25 CHF / 22 €China
SUMME (netto)1.850 CHF / 1.637 €

Auch die Entwicklungskosten der X41 werden offengelegt:

Technische Entwicklung15.000 CHF/ 13’224 €
Prototypen20.000 CHF / 17.132 €
Designentwicklung20.000 CHF / 17.132 €
Fotos und 3D-Rendering16.000 CHF / 14.106 €
Interne Ressourcen30.000 CHF / 26.450 €
Marketing30.000 CHF / 26.450 €
Öffentlichkeitsarbeit10.000 CHF / 8.816 €
SUMME141.000 CHF / 123.310 €

Mit Blick auf die transparente Kostenkalkulation wird schnell klar, was der preistreibende Faktor in der X41 ist. Während Komponenten wie das Titan-Gehäuse oder die Faltschließe vergleichsweise günstig von Zulieferern aus China kommen, ist das Schweizer Uhrwerk die technische und gleichzeitig Design-prägende Besonderheit an der X41 Skelettuhr.

Das Automatikkaliber der X41 stammt vom CODE41-Partner Timeless Manufacture SA, die seit über 10 Jahren mechanische Uhrwerke mit besonderen technischen Features produzieren, darunter auch ein Tourbillon oder ein Werk mit Minute-Repeater-Komplikation. Rund 50 Mitarbeiter in Genf bzw. dem Kanton Jura zählt das Unternehmen.

Das Besondere: Die Timeless Manufacture SA fertigt alle Komponenten (mit Ausnahme der Unruh) komplett selbst. Alle Werke werden vollständig in der Schweiz entworfen, hergestellt und montiert. Jede einzelne Komponente des X41-Werkes (297 Stück an der Zahl) wird in der Schweiz bearbeitet.

Warum das so etwas besonderes ist, wird beispielsweise im Vergleich mit Blick auf das Automatikwerk STP1-11 klar: Das STP1-11 ist ein ETA 2824-Klon, welches primär auf Komponenten aus Fernost besteht, die in der Schweiz zusammengebastelt werden. Durch die hohen Schweizer Lohnkosten darf sich das Werk “Swiss Made” nennen, obwohl nur wenige Teile des Werkes tatsächlich aus der Schweiz kommen. Versteht mich nicht falsch: Das Verbauen von Komponenten aus China ist Gang und Gäbe und an sich auch nichts Verwerfliches, das STP1-11 gilt als gute Alternative zum ETA 2824. Allerdings – und das ist der eigentliche Knackpunkt – wird durch ein solches Vorgehen das “Swiss Made”-Label bis zur Unkenntlichkeit konterkariert.

Der periphere Aufzugsrotor in der X41

Das in der X41 verbaute Werk von Timeless Manufacture bietet eine höchst selten anzutreffende, technische Besonderheit: Anstelle einer normalen, zentralen Schwungmasse kommt es mit einem sogenannten peripheren Aufzugsrotor. Ein peripherer Rotor liegt am äußeren Rand des Werkes in einem fein abgestimmten Kuggellager (einer Art “Schiene mit Rollen”). Der Vorteil: Dank der peripheren Technologie kann eine Uhr deutlich schmaler konstruiert werden (denn ein Standard-Rotor trägt im Vergleich recht stark auf). Außerdem erlaubt ein peripherer Rotor den freien Blick auf das Werk (bei einer zentral-rotierenden Schwungmasse wird das Werk naturgemäß um rund 50% verdeckt).

Hierzu eine kleine Geschichtsstunde und ein Blick auf andere Hersteller, die diese Technologie einsetzen: Das Prinzip des peripheren Rotors wurde bereits in den 50er Jahren von Paul Gosteli erfunden und patentiert. In den 60ern hat auch Patek Philippe eine ähnliche Technologie entwickelt und 1970 in Form des Kalibers 350 auf den Markt gebracht. Durch eine gewisse Fehleranfälligkeit hat sich aber einige Jahrzehnte lang kein Hersteller so richtig an diese Technologie rangetraut. Auch Patek Philippe hat das hauseigene periphere Werk wegen Unzuverlässigkeit wieder begraben.

Heute gibt es nur sehr wenige Hersteller, welche die periphere Technologie beherrschen und solche Werke in Serie produzieren können. Tatsächlich war Carl F. Bucherer im Jahre 2009 mit dem Kaliber CFB A1000 der erste Hersteller, der ein zuverlässiges Werk mit peripherem Aufzugsrotor marktreif umsetzen konnte. Eine Variante dieses Werk findet sich beispielsweise im Modell Manero Peripheral für rund 15.000€. Carl F. Bucher ist damit aber noch vergleichsweise günstig unterwegs: Die Luxusuhren-Schwergewichte DeWitt (Kaliber DW 8014), Audemars Piguet (Kal. 2897), Piaget (Kaliber 910P), Cartier (Kal. 9603 MC), Vacheron Constantin oder Bvlgari produzieren ebenfalls seit einigen Jahren Uhren mit peripheren Werken. Fragt aber lieber gar nicht erst nach den Preisen … 😉

Peripherer Rotor – Patent Nummer 322325 aus dem Jahre 1957 von Paul Gosteli

Das periphere Werk in der X41 wird in fünf Lagen hinsichtlich Ganggenauigkeit geprüft. Nach Aussagen von CODE41 ist das Verfahren ähnlich wie bei der COSC, wenngleich auf die offizielle Chronometerzertifizierung an sich verzichtet wird, denn das würde (Zitat) “Mehrkosten in Höhe von mehreren Hundert Euro bedeuten […], ohne dass es einen Mehrwert bietet”.

So viel zu den nüchternen technischen Details. Das Beste ist aber: Das Werk sieht einfach nur rattenscharf aus und ist aufgrund der Zifferblatt-Skelettierung immer sichtbar. Der periphere Automatikaufzug ist damit nicht nur eine technische Besonderheit, sondern gleichzeitig auch das charakteristischste optische Merkmal des futuristisch anmutenden Modells X41.

Das Design des Titan-Gehäuses, die Krone und das perforierte Lederband unterstreichen die moderne Optik der X41. Drei Varianten des Modells stehen zur Verfügung – diese unterscheiden sich jeweils in farblichen Details auf den “Brücken” (schwarz, grau-blau, Edelstahl unbeschichtet).

CODE41 spricht alles in allem von Haute Horlogerie, das heißt der hohen Kunst der Uhrmacherei. Ob das nun übertrieben ist oder nicht, sei mal dahingestellt (weltbewegende Werks-Komplikationen wie beispielsweise einen ewigen Kalender bietet das Werk nämlich nicht). De facto wird das Werk aber irre aufwendig mit viel Handarbeit und liebevollen Details hergestellt, wie in diesem Video deutlich wird:

Summa summarum hat CODE41 mit dem Automatikwerk ein echtes Killer-Feature und Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Micro-Brands…

CODE41 Uhren: Quo Vadis?

Gegenüber den Einstands-Modellen Anomaly-01 und Anomaly-02 hat man mit der X41 einfach mal so ein paar Preisklassen übersprungen. CODE41 bewegt sich damit in preislichen Gefilden, in denen man auch eine Uhr eines etablierten Herstellers wie Breitling, Omega & Co. bekommen könnte. In der Summe macht CODE41 so gut wie alles anders, als das Gros der Micro-Brands. Das ist auf den ersten Blick eine durchaus gewagte Strategie. Ich kann mich an dieser Stelle aber nur wiederholen: Das in der X41 verbaute periphere Uhrwerk ist unter den Micro-Brands ein absolutes Alleinstellungsmerkmal – fernab der ansonsten verbauten ETA-, Sellita- oder Miyota-Massenware. Mehr noch: Die periphere Rotor-Technologie kann man bei einer Uhr in der Preisklasse einer X41 lange suchen. Wenn man sich gedanklich damit anfreunden kann über 5000€ für eine Marke auf den Tisch zu legen, die bei den wenigsten Leuten Aha-Erlebnisse hervorrufen dürfte, holt sich eine Uhr mit einer Technologie in die Sammlung, die eine echte Besonderheit ist. Ich gehe davon aus, dass auch die dritte Serie der X41 zügig ausverkauft sein wird (trotz deutlich höherem Preis gegenüber der ersten Serie). Bei Interesse sollte man also nicht lange fackeln

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Otto Karneil
4 Jahre zurück

Code 41 als Skelett Uhr sieht nicht einmal teuer aus,für soviel Geld hätte ich wenigstens ein Tourbillion statt einer offenen Unruh gewählt, ansonsten wurde sehr genau bei 2 schweizer Urmachern hingeschaut und gekupfert,sieht nicht nach einer eigenen Idee aus. GF Uhren sind was Besonderes,aber diese als Automatik ist nichts!

Dlanor Lepov
4 Jahre zurück

Aha.
Wenn ich richtig verstanden habe, hat dieses Rotorkonzept keine echten technischen Vorteile. Es baut schlanker, aber wer will denn eine schlanke Uhr für 5K wenn er extrem schlank für 0,05K als Quartz haben kann?
Das riecht nach teurem Gimmick, weil es eben geht und es genug Angeber als Käufer gibt. Der Berliner sagt da: “Man kann sich auch eine Bulette ans Knie nageln.” Möglich ist nicht immer sinnvoll. Eher selten sogar.
Aber wieder was gelernt zum Thema “Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus”. Immerhin scheint die kritische Rezeption im Artikel deutlich durch. Dafür Dank.

Ralf-Peter B.
2 Jahre zurück
Antworten...  Dlanor Lepov

Es ist ja gerade die hohe Kunst ein mechanisches Werk so schlank wie möglich zu bauen und dabei die Zuverlässigkeit nicht aus den Augen zu verlieren. Heutzutage bekommt man Chronos im unteren vierstelligen Preisbereich ja fast nur noch mit dem Kaliber 7750. In welcher Uhr die verbaut sind erkennt man auf den 1. Blick. Meistens haben die einen Durchmesser von 40-42 mm und eine Höhe zwischen 14,50-17,00 mm. Für mich sind das in der Regel Uhren die viel zu hoch bauen, unabhängig davon zu welchem Anlass man die trägt. Deshalb finde ich die X41 schon auf Grund der relativ geringen Bauhöhe interessant. Der Preis scheint mir auch angemessen zu sein. Jedenfalls mehr als bei Marken wo der Marktpreis zu einem großen Teil auf der Einbildungskraft der Kunden beruht.

Günter
4 Jahre zurück

Hallo Mario, mal etwas ganz anderes für eine Micro-Brands Uhr. Juhu keine Bauhaus, keine Taucher. Aber der Preis ist ja trotz toller Technik schon enorm. Trotzdem eine aussergewöhnliche Uhr. Wie immer interessant und toll geschrieben. Danke dafür

Watch lover
4 Jahre zurück

Nice 🙂