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Als ich klein war, wollte meine Oma immer, dass ich Pilot werde. Warum nur? Der Berliner Historiker Siebeneichner sagt dazu:

“Piloten sind historisch gesehen Heldenfiguren – und absolute Vertrauenspersonen. Luftfahrt funktioniert so, dass man sein Leben in die Hände des Piloten gibt in dem Vertrauen, dass er einen sicher ans Ziel bringen wird und die Technik dafür absolut im Griff hat.”

Der Piloten-Mythos drückt sich z.B. auch in Filmen wie Aviator oder Top Gun aus. Freiheit, Sportlichkeit und Abenteuer sind nur drei Assoziationen, die oftmals mit dem Image von Piloten in Verbindung gebracht werden. Daran kann meiner Meinung nach langfristig auch der tragische, absichtlich vom Co-Piloten herbeigeführte Abstürz einer Germanwings-Maschine im Jahre 2015 nichts ändern…

Aber was macht eine Fliegeruhr überhaupt aus? Auf der einen Seite, haben Fliegeruhren eine historische Facette, die in eine dunkle Zeit Deutschlands führt: Der 2. Weltkrieg. So mussten einige Uhrenhersteller die speziell für die Luftwaffe entworfenen sog. Beobachtungsuhren (kurz B-Uhren) nach genauen Vorgaben des Reichsluftfahrtministeriums bauen.

Laco-Erbstück-Beobachtungsuhr

Eine weitere Facette von Fliegeruhren sind Zusatzfunktionen, die den Alltag eines Piloten erleichtern. Beispiel Hamilton: In der Fliegeruhren-Kollektion der Marke finden sich Modelle, die z.B. Funktionen wie zwei Zeitzonen, Berechnung der Geschwindigkeit, Umrechnung von Maßeinheiten, Berechnung des Driftwinkels oder der benötigten Treibstoffmenge etc. an Bord haben. All dies hört sich für natürlich toll an, doch für Leute ohne Pilotenschein ist dies höchstens ein nettes optisches Gimmick, z.B. auf dem Ziffernblatt:

Berechnung des Driftwinkels mit der Hamilton Khaki X-Wind; Bild: © Hamilton International Ltd.

Fliegeruhren haben normalerweise ein eher schlichtes, aufgeräumtes Design und sind eher groß – das macht sie in der Regel hervorragend ablesbar. Ausnahmen bestätigen aber wie immer die Regel: Der Fliegeruhren-Klassiker schlechthin, die Breitling Navitimer, besticht zwar nicht grade durch gute Ablesbarkeit, hat aber eine für Piloten durchaus sinnvolle Funktion an Bord: Ein zweiter Zentralzeiger mit roter Spitze gibt auf einer 24-Stunden-Skala die lokale Uhrzeit eines anderen Orts auf der Welt an.

Los geht’s mit den historischen Fliegeruhren inkl. einem echten Preis-Leistungs-Tipp…

Historische Fliegeruhren: Beobachtungsuhren im zweiten Weltkrieg von IWC, Laco, Stowa & Co.

Oftmals wird überliefert, dass die historischen Beobachtungsuhren von Piloten getragen wurden. Das ist schlicht falsch – es waren die Navigatoren an Bord, die in Kombination mit einem Oktanten (Winkelmesser) die genaue Position des Flugzeugs bestimmen konnten. Die genaue Funktionsweise ist sehr schön vom Sammler und Experten Konrad Knirim zusammengefasst. Die Piloten selbst trugen i.d.R. Chronographen, z.B. von Hanhart oder Tutima, als Reserve falls eine Borduhr ausfallen sollte.

Beobachtungsuhren hatten einige typische Merkmale. Die exakten Vorgaben der B-Uhren sahen einen riesigen Durchmesser von 55mm und eine sehr große zwiebeförmige Krone vor, damit die Navigatoren die Uhren auch mit Handschuhen bedienen konnten. Bei den Beobachtungsuhren gibt es zwei Baumuster: Das Baumuster A hatte statt der arabischen “12” ein Dreieck mit zwei Punkten. Dies ist auch beim Baumuster B der Fall, nur dass statt der arabischen Zahlen 1 bis 11 die Sekunden in 5er Schritten aufgedruckt sind. Die klassische Stunden-Einteilung von 1 bis 12 wiederum befindet sich in einem zusätzlichen Innenring.

Hier zwei Modelle vom historischen Hersteller Laco (oben: Baumuster A, unten: Baumuster B):

Laco-Watchgecko-Zuludiver-Band-Beobachtungsuhr-Vintage-Retro

Damit die Uhren auch im Dunkeln von den Navigatoren abgelesen werden konnten, kam Radium als Leuchtmasse zum Einsatz. Erst später erkannte man, dass die Radium-Strahlung im höchsten Maße gesundheitsgefährdend ist.

Als erstes stellte man bei Arbeiterinnen der Firma United States Radium Corporation in der Uhrenindustrie das Krankheitsbild des Radiumkiefers fest. Die sogenannten „Radium Girls“ hatten den Pinsel, mit dem sie die Radium-Leuchtfarbe auf die Ziffernblätter aufmalten, mit den Lippen oder der Zunge wieder angespitzt.

B-Uhr
Original-Foto einer Beobachtungsuhr (A-Muster) im zweiten Weltkrieg

Die Original-Hersteller der B-Uhren im zweiten Weltkrieg waren:

  • IWC, Schaffhausen
  • Stowa, Engelsbrand
  • Laco, Pforzheim
  • Wempe, Glashütte
  • Lange & Söhne, Glashütte

Laco-Beobachtungsuhren-Vergleich

Huch, wie hat sich denn ein Schweizer Hersteller in die Liste reingemogelt? Nun, die Schweiz gilt bekanntermaßen als der “neutrale Fels in der Brandung”. So auch im zweiten Weltkrieg, bei dem die Schweiz sich mehr oder weniger herausgehalten hat.  “Weniger” deshalb, da das Land im Mittelpunkt einer vielschichtigen und komplexen Kapitalbewegungen stand, die allzu oft dazu dienten, die widerrechtliche Aneignung fremden Goldes durch das Naziregime vor den Augen der Öffentlichkeit zu vertuschen. Im Vergleich dazu, wirkt die Produktion von Uhren für die Deutsche Luftwaffe ja schon fast harmlos…

Anzumerken ist, dass IWCs Fliegeruhren-Geschichte schon vor dem 2. Weltkrieg startete: Die erste 1936 bei IWC gebaute Fliegeruhr, die Spezialuhr für Flieger, verfügte bereits über stabiles Glas, eine Drehlünette mit Registrierzeiger für Kurzzeitablesung, eine antimagnetische Gangpartie sowie stark  kontrastierende, nachleuchtende Zeiger und Zahlen.

Auch heute noch hat sich die Marke IWC das Fliegeruhren-Image auf die Fahne geschrieben, was z.B. in diesem Werbevideo für die Pilotenuhren-Modellreihe deutlich wird:

Interessant: Während z.B. Laco oder Stowa besonderes Augenmerk darauf werfen, die historischen Beobachtungsuhren auch heute noch möglichst detailgetreu nachzubauen, pfeift IWC weitestgehend darauf und interpretiert die Modelle auf ihre eigene, moderne Weise, z.B. mit einem roten Innenring, Chronographen-Funktionen oder einem vergoldeten Gehäuse:

SCHWEIZ IWC PILOT'S WATCHES COLLECTION 2016
IWC Big Pilot’s Watch Annual Calendar Edition “Le Petit Prince” (Ref. IW502701), Bild: IWC
SCHWEIZ IWC PILOT'S WATCHES COLLECTION 2016
IWC Pilot’s Watch Chronograph TOP GUN Miramar (Ref. IW389002), Bild: IWC

Alles in allem rudert IWC mit den modernen Interpretationen aber wieder etwas zurück. Christian Knoop, Creative Director von IWC Schaffhausen, erläutert:

“Beim Zifferblattdesign der klassischen Pilot’s Watches haben wir uns überlegt: Wie können wir wieder näher an das Original heranrücken, wie es IWC mit der Grossen Fliegeruhr und der Mark 11 etabliert hat? Denn wir wollten zurück zum authentischen, man kann sagen: zum historischen Fliegerlook. Der lebt von der Klarheit des Ziffer blattes, von zeitloser Schlichtheit und der Reduktion auf das Wesentliche. Unsere gesamte Pilot’s Watches Linie steht unter dem Zeichen des Originals. Daher haben wir uns auch dazu entschieden die Ziffer ‹9›, die 2006 mit der Neugestaltung der Grossen Fliegeruhr vom Zifferblatt verschwunden war, wieder aufleben zu lassen. Auch das Markierungsdreieck ist an seinen angestammten Platz bei ‹12 Uhr› unterhalb der Minuterie zurückgekehrt.”

Echte Geschichte-Freaks, die Wert auf einen detailgetreuen Nachbau (sog. “Replika”, nicht zu verwechseln mit Replica-Uhren aus Fernost) legen, können bei Laco z.B. die B-Muster Beobachtungsuhr in einem 55mm Gehäuse für knappe 3000€ kaufen. Dieser Durchmesser dürfte aber selbst an Arnold Schwarzenegger seltsam aussehen – sagt also nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!

Wer es historisch noch korrekter haben will, kann natürlich auch nach original Beobachtungsuhren aus dem 2. Weltkrieg bei ebay & Co. Ausschau halten. Je nach Zustand wechseln diese aber auch schon mal für deutlich über 3000€ den Besitzer.

Alles in allem gibt es den günstigsten Einstieg in die Welt der originalgetreuen Beobachtungsuhren bei Laco. Ein echter Preis-Leistungs-Tipp ist z.B. die Laco Faro B-Muster Beobachtungsuhr, die kratzfestes Saphirglas, ein japanisches Miyota Automatikwerk und 42mm Durchmesser an Bord hat. Preispunkt: sehr faire 348€ direkt beim Hersteller. Hier geht’s zum Review der Laco Faro.

Wer es etwas ausgefallener mag, kann auch mal bei Steinhart vorbeischauen: Dort gibt es z.B. eine Baumuster B-Uhr mit Saphirglas und Schweizer ETA Handaufzugwerk in einem schicken Bronzegehäuse für 470€.

Muss man sich eigentlich Sorgen machen seltsam angeschaut zu werden, wenn man eine historische Beobachtungsuhr trägt? Eher nicht: Unter Uhrenfans sind die historischen Fliegeruhren sowieso äußerst beliebt – aber auch eher weniger informierte Menschen haben mir gegenüber noch nie die Moralkeule geschwungen, wenn sie mich auf meine Fliegeruhr angesprochen haben…

Breitling – die Fliegeruhr schlechthin?

Léon Breitling gründete 1884 die gleichnamige Firma in der Schweiz und spätestens seit der Enkel von Léon Breitling 1936 die Belieferung der britischen Luftwaffe mit Bord- und Taschenuhren anschubste, war die zukünftige Ausrichtung auf Fliegeruhren klar. In den 50ern und 60ern hat Breitling dann auch Borduhren in die kommerzielle Luftfahrt geliefert, zunächst für Propeller-Maschinen und später auch in Jets verschiedener Hersteller.

Alles in allem verwundert es kaum, dass Breitling folglich den Ruf als

“official supplier to world aviation”

erntete.

Eine charmante Vintage-Anzeige von Breitling unterstreicht den Fokus auf Piloten-Uhren:

Breitling The Book
Bild: Breitling

Im Jahre 1952 hat Breitling einen der berühmtesten Chronographen der Welt auf den Markt gebracht: Die Breitling Navitimer. Das besondere an der Uhr: die beidseitig drehbare Lünette, die als Rechenschieber dient und z.B. für die Berechnung des Treibstoffverbrauchs oder Durchschnittsgeschwindigkeiten herhalten kann – in früheren Zeiten ohne moderne Bordelektronik sicherlich ein nützliches Feature. Heute ist die Funktion für die meisten Navitimer-Träger wohl eher ein nettes Gimmick.

Auch heute noch ist die Breitling Navitimer das Flagschiff des Unternehmens. Breitling ist sich der Beliebtheit des Modells natürlich bewusst, weshalb die Modelle auch nicht für unter 4600€ Neupreis zu bekommen sind. Wie weiter unten in diesem Artikel deutlich wird, gibt es aber eine etwas günstigere Alternative mit einer interessanten Hintergrundgeschichte.

Breitling-Navitimer-Geschichte-Test

Bis heute baut Breitling (verständlicherweise) auf die lange Fliegeruhren-Geschichte und spannt z.B. für aktuelle Werbeanzeigen und -videos den Schauspieler und passionierten Hobby-Piloten John Travolta ein. Breitling hat bereits seit 2003 eine eigene Jet-Staffel mit sieben L-39 C Albatros – das “C” steht für Cvičná (Training). Von dem Basisstrahltrainer wurden über 2600 Stück vom Hersteller Aero in der Tschechischen Republik gefertigt. Verschiedene Streitkräfte nutzen die Jets auch zu militärischen Zwecken (z.B. die Bulgarische Luftwaffe).

John Travolta Breitling Jet Team
John Travolta mit dem Breitling Jet-Team, Bild: Breitling

Einen schönen Erlebnisreport von einer ABC-Reporterin, die sich getraut hat in einem Breitling L-39C mitzufliegen findet ihr hier.

Breitling Jet Team - American Tour - Seattle
Breitling Jet Team – American Tour – Seattle, Bild: Breitling

Ein hübsches Werbebotschafter-Gesicht darf auch bei Breitling nicht fehlen: Die 1982 geborene Französin Aude Lemordant ist amtierende Kunstflug-Weltmeisterin und seit 2014 Teil des Breitling Racing Teams: Ihr Motoflugzeug, eine Extra 330SC, trägt seitdem mehrere kaum übersehbare Breitling-Schriftzüge:

AUDE LEMORDANT Breitling Extra 330SC
Extra 330SC, Bild: Breitling

 

Aude Lemordant
Aude Lemordant, Bild: Breitling

 

Francois Le Vot of France performs during the finals of the fourth stage of the Red Bull Air Race World Championship in Budapest, Hungary on July 5, 2015.
Im Rahmen des Red Bull Air Race Weltmeisterschaft in Budapest, Ungarn, zeigt der Breitling-Pilot Francois Le Vot was er kann, Bild: Breitling

Das Breitling Jet Team und das Breitling Racing Team sind noch nicht genug: Das Breitling Wingwalkers-Team zeigte schon auf vielen Flugshows ihr Können, in schwindelerregender Höhe auf Propellermaschinen rum zu turnen…

Breitling Wingwalkers - Dubai
Breitling Wingwalkers – Dubai, Bild: Breitling

Die Kombination aus einer beträchtlichen Geschichte der Marke in der Luftfahrt, den immensen Aufwendungen für die drei Flug-Teams sowie ein echter Fliegeruhren-Klassiker, die Breitling Navitimer, machen Breitling meiner Meinung nach zu der Fliegeruhren-Marke überhaupt.

Mehr über die Breitling Navitimer gibt’s hier.

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Hamilton – lange Fliegeruhren-Historie auf der anderen Seite des Atlantik

Während Breitlings Fliegeruhren-Historie auf dem Europäischen Kontinent begann, hat sich die aus den USA stammende Uhrenmarke Hamilton auf seinem Heimatkontinent ausgetobt und von dort die Luftfahrt aufgemischt: Als die Luftfahrt noch in den Kinderschuhen steckte, entwickelte Hamilton bereits die ersten Borduhren für Flugzeuge. Später kamen dann auch Fliegeruhren-Modelle hinzu, die frei kaufbar waren.
Zu einigen Meilensteinen in der Luftfahrtgeschichte von Hamilton zählen:

  • 1918: Hamilton-Uhren sind die offiziellen Zeitmesser bei US-Luftpostflügen zwischen Washington, Philadelphia und New York.
  • 1926: Auf seinem historischen Flug über den Nordpol verwendet Admiral Richard E. Byrd eine Hamilton.
  • 1927: Zur Navigation des ersten Flugs von Kalifornien nach Hawaii wird eine Hamilton-Uhr eingesetzt. Dank ihrer Genauigkeit kann die Position der Hawaii-
    Inseln mitten im Pazifik präzise bestimmt werden (eine Abweichung von nur wenigen Grad hätte dazu geführt, dass die Inseln gänzlich verfehlt worden wären).
  • 1928: Nach diesem Erfolg kommen 60 Hamilton Uhren als offizielle Zeitmesser bei der ersten Antarktis-Expedition von Byrd im Jahr 1928 zum Einsatz.
  • 1930s: Hamilton ist die offizielle Uhr der Fluggesellschaften TWA, Eastern, United und Northwest Airlines. Außerdem ist Hamilton Zeitmesser auf dem ersten Flug der United Airlines von der Ostküste an die Westküste – von New York nach San Francisco in 15 Stunden und 20 Minuten.

Auch heute noch führt Hamilton seine Fliegeruhren-Geschichte fort: Bei vielen Fliegerstaffeln, darunter das F-16 Demo Team aus den Niederlanden, gehören die Fliegeruhren von Hamilton zur Standardausrüstung.

Leeuwarden, 7 mei 2014 Groepsfoto TD F-16 Demoteam 2014; © Hamilton International Ltd.
F-16 Demoteam, Bild: © Hamilton International Ltd.

Die Marke ist zudem offizieller Zeitnehmer für eine Vielzahl von internationalen Flug-Events, beispielsweise die amerikanische Flugshow EAA Air Venture Oshkosh, die als das weltweit größte Luftfahrttreffen gilt.

Darüber hinaus ist der französische Kunstflugpilot Nicolas Ivanoff, der in der Red Bull Air Race in einem Hamilton-Flugzeug startet, internationaler Botschafter der Marke.

Ivanoff Hamilton
© Hamilton International Ltd.
Ivanoff Hamilton
© Hamilton International Ltd.

Ein sehr beliebtes Fliegeruhren-Modell von Hamilton ist z.B. die Hamilton Khaki X-Wind, welche ihren großen Auftritt im Film Independence Day: Wiederkehr hat…

Der Hamilton Khaki X-Wind Auto Chronograph (Ref. H77616533) rechtfertigt den UVP von 1345€ mit einem gut geschnürten „Swiss Made“-Paket: 44mm Durchmesser, kratzfestes Saphirglas, verschraubte Krone und dadurch 10bar Wasserdichtigkeit und ein transparenter Gehäuseboden.

In dem Modell schlägt das Uhrwerk mit der Bezeichnung H-21, welches auf dem ETA Valjoux 7750 basiert. Das Uhrwerk bietet 60 Stunden Gangreserve und gilt als zuverlässiger „Traktor“ unter den Automatikwerken, welches auch in hochpreisigeren Uhren wie der Tag Heuer Carrera Day Date (Calibre 16) zum Einsatz kommt.

Aus der Kategorie „Dinge, die 99,9% der Uhrenkäufer nicht brauchen, aber irgendwie geil klingen“ hat die Hamilton Khaki X-Wind außerdem noch einen

Driftwinkelrechner zur Kurskorrektur bei Seitenwinden.

an Bord.

Eine weitere Modellreihe von Hamilton, welche sich an die historischen Baumuster B-Uhren anlehnt, ist die Hamilton Khaki Pilot. Ab ca. 800€ für die Varianten mit Schweizer Automatikkaliber, bekommt man bei Hamilton eine moderne Interpretation der Beobachtungsuhren mit schicken aufgesetzten (nicht gedruckten) Ziffern. Die für die meisten gut tragbare 42mm-Variante hat neben einer Datums- sogar eine Wochentagsanzeige (“Day Date”).

Sinn – Spezialuhrenschmiede vom “eigensinnigen Überflieger” Helmut Sinn

Der eigensinnige Überflieger” titelt die Frankfurter Neue Presse und porträtiert den fast 100 Jahre alten Helmut Sinn, der so einige spannende Geschichten aus seinem Leben erzählen kann. Der Blindfluglehrer und Pilot gründete 1961 in Frankfurt am Main die Firma „Helmut Sinn Spezialuhren“, um selbst Fliegeruhren mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis zu produzieren. Das Unternehmen konzentrierte sich zunächst auf die Herstellung von Navigationsborduhren und Fliegerchronographen.

Helmut Sinn, Bild: Privates Archiv von Helmut Sinn [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons
Helmut Sinn, Bild: Privates Archiv von Helmut Sinn (CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons

Wenn man etwas über die Geschichte der – mittlerweile von Helmut Sinn verkauften – Marke Sinn Spezialuhren recherchiert, kommt man allerdings etwas ins Grübeln: Der ursprüngliche Fliegeruhren-Markenkern ist nur auf den zweiten Blick erkennbar und wird maximal beiläufig kommuniziert: Sinn kommuniziert statt eines reinen Fliegeruhren-Images eher die technologischen Vorzüge seiner Modelle, d.h. Uhren für sämtliche ruppige Anwendungen, die man sich vorstellen kann. So ist Sinn z.B. Ausrüster der Sondereinheit der Bundespolizei GSG 9 und der Kommando Spezialkräfte (KSK) der Marine.

Sinn U1 Taucheruhr Review Test Deutsch Erfahrungen

Ein Grund für die kommunikative Ausrichtung ist sicherlich auch der neue Eigentümer Lothar Schmidt, an den Helmut Sinn 1994 verkauft hat. Helmut Sinn wollte weiter beratend tätig sein, doch es kam zu Streit mit dem neuen Eigentümer, Helmut Sinn verliert Gerichtsprozesse und bekommt sogar Hausverbot. Das nagt natürlich noch bis heute an ihm.

Auch, wenn ich es schade finde, dass vom ursprünglichen Markenkern nicht mehr allzu viel übrig zu sein scheint, gibt der Erfolg von Sinn dem neuen Eigentümer Lothar Schmidt recht.

Sinn 856 B-Uhr Beobachtungsuhr
Sinn 856 B-Uhr, Bild: Sinn

Neben der geschichtlich weniger detailgetreuen Beobachtungsuhr Sinn 856 bieten die Frankfurter auch noch eine vergleichsweise günstige Alternative zur Breitling Navitimer an: Die Sinn 903. Die jüngste Variante ist die 2015 vorgestellte Sinn 903 St B E mit schickem, tiefblauem Zieffernblatt, welche auf den ersten Blick wie eine einfache Hommage der Breitling Navitimer aussieht:

Sinn Navitimer Alternative 903 St
Sinn 903 St B E, Bild: Sinn

Die Sinn 903 St is aber keine bloße Designkopie, sondern hat einen geschichtlichen Hintergrund: Als Breitling in den 70ern infolge der Quarzkrise die Pforten schließen mussten und Ernest Schneider die Markenrechte an “Breitling”, “Navitimer” etc. von der Familie Breitling übernahm, wurden Produktion und Uhrenkomponenten von Helmut Sinn aufgekauft. Sinn baute also in Frankfurt die Navitimer unter dem Namen 903 St weiter. Als die alten Teile von Breitling aufgebraucht waren, hat Sinn die Produktion nach dem Vorbild der Navitimer fortgeführt. Erst in den 80ern ließ Breitling die Navitimer wieder aufleben und musste sich dem selbst geschaffenen neuen Navitimer-Wettbewerber stellen.

Während die Breitling Navitimer ab ca. 5000€ startet, ist der Einstieg in die Sinn-Welt mit knapp 2700€ für die Variante mit Lederband vergleichsweise human. Für den Preis bietet Sinn ein Schweizer Automatikwerk von Sellita (SW 500), 10bar Wasserdichtigkeit und beidseitig entspiegeltes Saphirglas, wodurch das blaue Ziffernblatt toll zur Geltung kommt. Sinn verwirklicht natürlich auch in der 903 St seine Kompetenz, Uhren robust zu bauen: Die Sinn 903 St ist antimagnetisch nach DIN 8309, stoßsicher nach DIN 8308 und unterdrucksicher.

Sinn und die neue DIN 8330: TESTAF-Fliegeruhren

In einem mehrjährigen gemeinsamen Forschungsprojekt haben der Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik der FH Aachen auf Anregung von Sinn Spezialuhren einen technischen Standard für Fliegeruhren (TESTAF) entwickelt. Der TESTAF stellt sicher, dass eine Fliegeruhr alle Anforderungen an die Zeitmessung beim Flugbetrieb nach Sicht- und/oder Instrumentenflugregeln erfüllt. Das Modell Sinn EZM 10 TESTAF war die erste Uhr weltweit, die sich dem Testverfahren stellte und erfolgreich durchlief. Der Anforderungskatalog gliedert sich in drei Kategorien:

1. Funktionalität
• Erforderliche Funktionen für Sicht- und/oder Instrumentenflug
• Ablesbarkeit bei Tag und Nacht
• Sichere Bedienbarkeit
• Ganggenauigkeit und Gangreserve

2. Widerstandsfähigkeit gegen äußere Belastungen
• Absoluter und zyklisch wechselnder Umgebungsdruck
• Rascher Temperaturwechsel
• Stoß- und Schlagsicherheit, G-Belastungen und Vibrationen
• Wasserdichtheit und Beständigkeit gegen flugbetriebstypische Flüssigkeiten
• Auswirkungen von Magnetfeldern auf die Uhr

3. Sicherheit und Kompatibilität mit anderen Instrumenten
• Auswirkungen der magnetischen Signatur der Uhr auf die Avionik
• Vermeidung von Reflexionen und Blendwirkung
• Besondere Formgebung
• Sichere Bandbefestigung

Auf Basis des Anforderungskataloges entwickelte die FH Aachen als neutrales Institut ein Prüfregime, das alle Uhrenhersteller nutzen können. Ein Zertifikat bescheinigt nach erfolgreicher Prüfung die Konformität der getesteten Fliegeruhr mit dem TESTAF. Nach TESTAF zertifizierte Uhren dürfen auf Zifferblatt oder Gehäuse das geschützte Qualitätssiegel tragen – eine stilisierte Flugzeug-Silhouette, eingefasst in die Cockpit-Anzeige des „künstlichen Horizonts“.

SINN_TESTAF_G_Belastung_dynamisch
Bild: Sinn Spezialuhren

 

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Bild: Sinn Spezialuhren

Tutima – historische Fliegeruhren aus Glashütte

Die Geschichte der Marke Tutima beginnt im sächsischen Glashütte mit der Gründung der Uhren-Rohwerke-Fabrik Glashütte AG (UROFA) und der Uhrenfabrik Glashütte AG (UFAG). In den 1920ern startet der erst 27-jährige Dr. Ernst Kurtz die Produktion der ersten Glashütter Armbanduhren. Bald wurden die Uhren unter der Marke Tutima (vom lateinischen tutus für sicher, geschützt)  vertrieben. Zum Meilenstein der Markengeschichte avanciert 1941 die letzte Entwicklung der UROFA-UFAG: der legendäre Zwei-Drücker-Fliegerchronograph „Tutima“ mit geriffelter Lünette, welche sich im zweiten Weltkrieg Piloten der Luftwaffe um das Handgelenk schnallten. Auch heute noch wird das Modell in verschiedenen Varianten ab ca. 2000€ verkauft.

Wer eine günstige Alternative zur Tutima Fliegeruhr sucht, kann einen Blick auf die Hamilton Khaki Pioneer (Ref. H60515533) werfen, welche für ca. 750€ zu haben ist und wie die Tutima ordentlich Vintage-Charme versprüht. Das Modell kommt mit geriffelter Lünette, Saphirglas, 45mm Gehäusedurchmesser und Schweizer ETA Automatikkaliber.
Ein weiteres Fliegeruhren-Highlight von Tutima stammt aus dem Jahre 1984: Tutima gewann die Fliegeruhren-Ausschreibung für die offizielle Dienstuhr der Bundeswehr. Insbesondere die Robustheit gegenüber Stößen, Vibrationen und Beschleunigung ließ die Wahl auf den Tutima Fliegeruhren-Chronograph fallen. Bis heute tragen alle Bundeswehr-Piloten diesen Fliegerchronographen, welcher auch vom Otto-Normal-Kunden für knapp unter 4000€ bezogen werden kann. Für diesen ziemlich sportlichen Preis bekommt der Kunde ein gutes “Made in Germany”-Paket: Superleichtes Titan-Gehäuse und -Band, kratzfestes Saphirglas und eine ordentliche Größe von 43mm. Wer es etwas günstiger mag, kann bei ebay oder Chrono24.de nach Vintage-Varianten des Tutima Military Chronographen Ausschau halten. Die alten Modelle dieser Reihe sind allerdings aus Edelstahl.

Tutima Flieger chronograph Bundeswehr 1984
Tutima Fliegerchronograph der Bundeswehr, Bild: von Gordito1869, CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

Auch heute noch trägt Tutima das geschichtliche Erbe der Marke in seine Kommunikation: So gründete das Unternehmen z.B. im Jahre 2006 mit der US-amerikanischen Kunstflug-Legende Sean Tucker die Tutima Academy of Aviation Safety, eine der weltweit führenden Schulen für Präzisionsflug-Training, in Kalifornien. Als Partner des Deutschen Aero Clubs und Hauptsponsor der Motorflug-Nationalmannschaften fördert Tutima außerdem seit vielen Jahren aktiv den Luftsport.

Mehr über Tutima-Uhren bei der Bundeswehr gibt’s hier.

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THOR
2 Monate zurück

…Ich schließe mich nahtlos an die positiven Kommentare an!
(wenn auch etwas spät!) :-/
LG
THOR

Knut
6 Jahre zurück

Vielleicht sollte man noch die Firma Damasko erwahnen, die sehr robuste Uhren im Fliegeruhrendesign herstellt. Ihre Uhren werden von der deutschen Eurofighterstaffel in Manching eingesetzt. Eine der wenigen Uhrenmarken, die in aktuellen Jetflugzeugen genutzt werden.

H. A.
6 Jahre zurück

Ich konnte garnicht aufhören zu lesen, soetwas findet man nur an einem Glückstag, die links werde ich wohl noch nächstes Jahr abarbeiten….fastzinierende Arbeit

C. C.
7 Jahre zurück

Sehr interessanter, kurzweilig unterhaltend lesenswerter mit Hintergrundwissen gespickter Bericht.
Liest man gewiss nicht überall so fundiert.