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Blättert man den Mühle-Glashütte Katalog auf, mag der eine oder andere Leichtmatrose vielleicht schon mal hektisch aufspringen und ein Handtuch zum Abtrocknen suchen – der Uhrenhersteller Nautische Instrumente Mühle-Glashütte aus dem beschaulichen Glashütte in Sachsen lässt mit seiner Bildsprache keinerlei Zweifel darüber aufkommen, wo der Image-Fokus liegt – ein gebürtiges Nordlicht wie ich würde sich natürlich gerne sofort im Schweinsgalopp in die Wellen stürzen:

Mühle Glashütte Teutonia Sport I Waves Mare Sea Leuchtturm
Mühle-Glashütte Teutonia Sport I Chronograph Baselworld 2017
Mühle-Glashütte Teutonia Sport I Chronograph 2017

Und das hat historische Gründe: Mühle-Glashütte war (und ist) unter anderem Lieferant für die Schifffahrt. Wie es dazu kam, das sehen wir nach einem kurzen Abriss der ziemlich langen Geschichte von Mühle-Glashütte, bevor wir natürlich auch in das Review zum brandneuen Modell Teutonia Sport I einsteigen, mit dem Mühle-Glashütte den Uhrenmarkt entern will…

Kooperation

Geschichte von Mühle-Glashütte: Navigation ist, wenn man trotzdem ankommt

Seht wie die Wellen sich senken und heben,
das ist das wahre Seemansleben.

Diese alte Matrosentweisheit trifft wie die Faust auf’s Auge auf Mühle-Glashütte zu: Das Unternehmen hat in seiner langen Geschichte nämlich schon mit vielen Aufs und Abs klarkommen müssen, sich aber trotz rauer See immer wieder aufs Neue berappelt. Der Grundstein für das heutige Unternehmen Mühle-Glashütte wurde bereits vor rund 150 Jahren (!) durch den in Lauenstein geborenen, ausgebildeten Feinmechaniker Robert Mühle gelegt. Mühle spielt damit in einer Liga wie die Traditionsmarken Omega (1848), Heuer (1860) oder Breitling (1884).

Der Mühle-Familienbetrieb konzentrierte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunächst voll und ganz auf Präzisionsmessgeräte für die heimische Uhrenindustrie und Uhrmacherschulen sowie Tachometer, Drehzahlmesser und Autouhren, die z.B. an Maybach oder BMW geliefert wurden.

Robert Mühle Glashütte Vintage Werbung Anzeige RMS 1895 Ausstellung
Auch 1895 ging natürlich nix ohne Werbung, Bild: Mühle-Glashütte
Robert Mühle Messuhr Messinstrumente Glashütte Vintage 1900
Robert Mühle Messuhr, um 1900, Bild: Mühle-Glashütte

1920 setzte man im beschaulichen Glashütte, Sachsen, noch auf Zusammenarbeit und nicht auf Konfrontation (hierzu später mehr): In diesem Jahr hat R. Mühle & Sohn das Experiment gewagt und sich mit weiteren Unternehmen in Glashütte zur offenen Handelsgesellschaft „Vereinigte Werke Glashütte” zusammengeschlossen. Allzu lange saßen die Betriebe allerdings nicht im selben Boot – nach der Auflösung wurden die Tachometer und Autouhren wieder unter der Marke R. Mühle & Sohn hergestellt.

Mühle Glashütte Werbung 1920
„Vereinigte Glashütter Rechenmachinenfabriken, Tachometer- und Feinmechanische Werke Arthur Burkhardt & Cie. – „Saxonia“ Schumann & Cie.- Robert Mühle & Sohn“. Nein ich bin nicht mit dem Kopf auf der Tastatur eingeschlafen – das ist tatsächlich der korrekte Langname der Vereinigung, Bild: Mühle-Glashütte

Wie etliche andere Unternehmen in Privatbesitz, wurde auch die Familie Mühle nach dem Ende des zweiten Weltkrieges enteignet und die Produktion demontiert. Doch Robert Mühles Sohnemann Hans trotzte den Umständen und gründete noch im selben Jahr ein neues Unternehmen, die Firma Ing. Hans Mühle (Hans Mühle rechts im Bild; Bilder: Mühle-Glashütte), die eine Zeit lang alleiniger Hersteller von Zeigerwerken für Druck- und Temperaturmessgeräte in Ostdeutschland war…

1972 folgte der erneute Rückschlag in der DDR: Die SED verstaatlichte fast alle verbliebenen Privatunternehmen – auch Mühle blieb davon nicht verschont und fiel einer zweiten Enteignung zum Opfer, indem der Familienbetrieb in den DDR-Betrieb „VEB Feinmechanik Glashütte“ umgewandelt wurde (oder beschönigt gesagt: Mühle wurde in “Volkseigentum überführt”). Später wird die Betriebsstätte in die GUB (Glashütter Uhrenbetriebe) überführt. Bei der GUB ist Hans-Jürgen Mühle bis zum Mauerfall als Vertriebsleiter u.a. für für den weltweiten Vertrieb von Schiffsuhren und Marine-Chronometern verantwortlich. 

Mit dem Mauerfall dann bot sich die Chance für Hans-Jürgen Mühle, das Unternehmen unter dem Namen „Mühle-Glashütte GmbH nautische Instrumente und Feinmechanik“ neu zu gründen und den Grundstein für das heutige Unternehmen zu legen.

Hans Jürgen Mühle Glashütte Sachsen bei der Arbeit
Hans-Jürgen Mühle bei der Montage einer Schiffsuhr Mitte der 90er, Bild: Mühle-Glashütte
 
Hans-Jürgen Mühle nutzte für die Gründung insbesondere seine Kontakte aus der Vertriebsleiterposition bei den GUB und konzentrierte sich zunächst auf die Herstellung traditioneller Schiffsuhren und Quarz-Marinechronometer. Der Startschuss für Armbanduhren fiel wenige Jahre später, als eine Werft anfragte, ob Mühle nicht auch robuste, wasserfeste Armbanduhren als Schiffsausrüstung liefern könne. Und so sahen die ersten beiden Modelle aus (Bilder: Mühle-Glashütte):

2007 war ein erneutes Schicksalsjahr für Mühle. Der Grund: Ein wettbewerbsrechtlicher Streit zwischen NOMOS und Mühle um die Herkunftsbezeichnung Glashütte und den damit einhergehenden geforderten Wertschöpfungsanteil von mindestens 50%. Mühle habe nachweislich komplette Schweizer Uhrwerke verwendet und somit nicht die geforderten 50% erreicht. Nach einem gescheiterten Vergleich mit NOMOS, musste Mühle Rückstellungen für Vertragsstrafen in Höhe von 63 Millionen Euro bilden. Zu viel für den damals mit 38 Mitarbeitern eher kleinen Betrieb – Mühle musste Insolvenz anmelden. Das Manager Magazin resümiert treffend: Glashütte ist nicht nur für Uhren gut, sondern auch für Wirtschaftskrimis. Unterm Strich ist keiner dem anderen etwas schuldig.

Die Insolvenz wirkte aber wie ein Befreiungsschlag – Steuermann Thilo Mühle hat das Ruder umgerissen und das Unternehmen wieder auf Kurs gebracht: Heute produziert Mühle mit einer Crew von 55 Mitarbeitern (35 in der Produktion) immer noch Marinechronometer und Schiffsuhren (z.B. für Yachten), der Schwerpunkt liegt aber ganz klar auf Herrenarmbanduhren im Mittel- bis Hochpreissegment. Stand 2014 kommt Mühle-Glashütte auf Produktionszahlen von immerhin rund 10.000 Stück pro Jahr.

Mühle ist zwar nach wie vor ein eher kleiner Hersteller, charmant finde ich aber, dass der Familienbetrieb trotz aller Widrigkeiten nach wie vor selbstständig bzw. eigentümergeführt ist, d.h. nicht zu einer großen Unternehmensgruppe gehört. Die Geschäfte bei Mühle werden mittlerweile in fünfter Generation geführt und Thilo Mühle bringt nun 2017 mit einigen modernen Neuschöpfungen frischen Wind in die Kollektion. Mit dabei: Der sportliche Mühle-Glashütte Teutonia Sport I Chronograph…

Mühle-Glashütte Teutonia Sport I Chronograph im Test

Auf der Baselworld 2017 habe ich die Mühle-Glashütte Teutonia Sport I das erste mal in den Händen gehalten. Schnell wurde ein “Haben-Will”-Reflex in mir ausgelöst. Dabei schwimmt der Teutonia Sport I Chrono etwas fernab des Mühle-Glashütte Nautik-Images und den anderen Mühle-Modellreihen, die größtenteils eine eher klassische Optik haben: Der Chronograph ist durch seine rote Tachymeter-Skala auf der Rehaut und den sonstigen roten Highlights vergleichsweise modern und sportlich unterwegs, passt durch sein schnörkelloses Design aber trotzdem sehr gut in das Portfolio von Mühle:

Mühle Glashütte Teutonia Chronograph 2017

Anders gesagt ist sich Mühle seinem Credo treu geblieben, nur gut ablesbare Uhren ohne viel Firlefanz herzustellen: Der Teutonia Sport I Chrono strahlt dadurch vornehmlich Understatement aus…

Mühle Glashütte Baselworld 2017

Schauen wir uns zunächst das Gehäuse genauer an, welches mit 42,6 mm Durchmesser und 15,5 mm Bauhöhe eine für mich ziemlich perfekte Größe hat:

Auffällig sind vor allem die durchbohrten Hörner und die grob-gebürstete Flanke des Gehäuses, die wie bei ein paar anderen Modellen des Herstellers (z.B. die Mühle Teutonia II Kleine Sekunde) wie “abgesäbelt” aussieht. Das ist sicherlich Geschmackssache, verleiht der Uhr aber eine sehr charakteristische, grobe bzw. raue Optik, die sehr gut zum Mühle-Image passt – toll!

Das Gehäuse hat darüber hinaus knackig schaltende Chrongraphendrücker im Schlepptau, die den den sehr guten Eindruck des Gehäuses abrunden:

Mühle Glashütte Teutonia Chrono 2017 Drücker

Die Krone des Gehäuses der Teutonia Sport I ist verschraubt, wodurch – wie es sich für einen Hersteller mit Nautik-Image gehört – eine ordentliche Wasserdichtigkeit von 10 bar erreicht wird. Damit ist der Chrono auch für hohen Wellengang oder zum Schwimmen geeignet, nicht aber zum Tauchen.

Stichwort Schwimmen: Das sehr flexible Band der Teutonia Sport I hat sich ein dickes Extra-Lob an dieser Stelle definitiv verdient: Es handelt sich dabei um eine Kombination aus vollnarbigem, italienischem Kalbsleder mit eine wasserfesten Oberfläche in Segeltuch-Optik. Nicht nur der Tragekomfort ist hervorragend, durch die geriffelte Kautschukunterseite und die Perforation ist das Band auch super für heiße Sommertage geeignet. Die schwarz-rote Optik ist sehr sportlich und passt hervorragend zum Chronographen. Nach kurzer Recherche bin ich auch auf den Lieferanten gestoßen: Die österreichische Hirsch AG ist bekannt für top Qualität.

Mein größter Kritikpunkt ist allerdings die beidseitig (stufenlos) drehbare Edelstahllünette des Mühle-Glashütte Teutonia Sport I Chronographen: Im Vergleich zu der geschmeidig-perfekt laufenden Lünette meiner Hanhart Pioneer TachyTele, zeigt sich die Lünette des Chronographen etwas schwergängig und läuft auch nicht ganz regelmäßig rund. Hier besteht noch viel Luft nach oben.

Das gewölbte und hervorragend beidseitig entspiegelte Saphirglas entschädigt allerdings etwas für den Lünetten-Faux-Pas und gibt den Blick auf das schnörkellose Ziffernblatt und die polierten, applizierten Indizes und Zeiger frei…

Mühle-Glashütte Chronograph 2017
Mühle Glashütte Teutonia Sport I Chrono 2017 Ziffernblatt
Mühle Glashütte Teutonia Sport I Chrono 2017 Nahaufnahme

Aufmerksame Leser meines Blogs wissen, dass ich beidseitig entspiegelte Uhrengläser liebe, da die Optik meiner Meinung nach einfach genial ist, insbesondere wenn die Entspiegelungsschicht (ähnlich wie bei der Breitling Coltbläulich schimmert:

Mühle Glashütte Teutonia Sport I beidseitig entspiegeltes Saphirglas
Mühle Glashütte Teutonia Sport I beidseitig entspiegeltes Saphirglas gewölbt

Die Leuchtmasse wurde übrigens sehr dezent in Erweiterung zu den applizierten Indizes eingesetzt:

Mühle Glashütte Teutonia Chronograph Nightshot

In der Mühle-Glashütte Teutonia Sport I tickt ein Basiskaliber des Schweizer Werkeherstellers Sellita, das SW 500 Automatikwerk, welches Mühle-Glashütte umfangreich modifiziert und unter der internen Bezeichnung MU9413 führt. Mühle-Glashütte stellt zwar auch eigene Manufakturkaliber her, diese kommen allerdings nur in der limitierten Robert Mühle Manufakturlinie zum Einsatz.

Viele Bauteile für die Werksmodifizierung des Sellita SW 500 fertigt Mühle in modernen CNC-Bearbeitungszentren selbst, darunter z.B. die selbst entwickelte Glashütter Dreiviertelplatine, die in sämtlichen Chronographen zum Einsatz kommt. Wer hätt’s gedacht: Die Glashütter Dreiviertelplatine heißt so, weil sie rund drei Viertel des Uhrwerkes bedeckt und Federhaus, Kron- und Sperrrad sowie das Räderwerk des Chronographenwerkes stabilisiert.

Auch Montage, Finissage und Regulierung werden in Glashütte durchgeführt:

In der Mühle-Glashütte Teutonia I kommt auch Mühles patentierte Spechthalsregulierung zum Einsatz. Im Jahre 2003 entwickelt, ist diese Regulierung eine Weiterentwicklung der bekannten Glashütter Schwanenhals-Feinregulierung. Der Name ist aus der Form der Feder abgeleitet, die an einen Specht erinnert (okay, man braucht schon etwas Fantasie ;-). Die Modifikation macht das Uhrwerk robuster bzw. stoßsicherer.

Die Spechthalsregulierung vereinfacht auch die Regulierung der Uhr im Hause Mühle-Glashütte: Eine Gangtoleranz von 0 bis 8 Sekunden hat sich der Uhrenhersteller auf das Segel geschrieben – bei meiner Messung mit dem Frederique Constant Analytics Clip in Verbindung mit der Timegrapher App für iOS ergab sich ein sehr guter Messwert von +3,5 Sekunden pro Tag.

Auch der Rotor ist neben Unruhkloben und Automatikbrücke eine eigene Konstruktion von Mühle-Glashütte – lecker ist der Blick auf das Werk durch den Saphirglasboden allemal:

Mühle-Glashütte Teutonia Sport I Glasboden Sellita SW500-MU9413
Mühle-Glashütte Teutonia Sport I Glasboden Sellita SW500-MU9413 Spechthalsregulierung
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Fazit zum Teutonia Sport I Chronographen aus dem Hause Mühle-Glashütte

Es waren mehrere Dinge, die mich dazu bewegt haben bei der Teutonia Sport I zuzuschlagen, nachdem ich sie auf der Baselworld 2017 zum ersten mal in den Händen hielt: Zum einen wäre da Mühles Nautik-Image und der bodenständig-familiäre Markenauftritt. Und zum anderen natürlich die Haptik und die sportliche Optik – ich spinne jedenfalls kein Seemannsgarn, wenn ich sage, dass Mühle mit dem Teutonia Sport I Chrono (fast) alles richtig gemacht hat: Der Hersteller hat bei dem Modell ein sehr eigenständiges Design eingebracht, welches mit einer tollen Verarbeitung gepaart wurde. Nur die schwergängige und unrund laufende Lünette trübt etwas den sehr guten Gesamteindruck.

Der Preis (UVP 3390€ / Stand Juli 2017 bei zwei Händlern auch für glatte 3000€) ist zwar nicht unbedingt schnäppchenverdächtig, aber in Anbetracht der insgesamt hohen Made in Germany-Qualität durchaus gerechtfertigt. Zum Lieferumfang gehört neben dem Chronographen und den Papieren noch eine eher unspektakuläre, aber gut verarbeitete kleine Holzbox…

Mühle Glashütte Box Chronograph

Alternativen zum Mühle-Glashütte Teutonia Sport I Chrono: Hanhart und Guinand

Ähnlich schnörkellos und hochwertig verarbeitet kommen zwei Chronographen daher, die ich hier bereits auf meinem Blog getestet habe: Hanhart und Guinand – zwei Made in Germany-Marken, die ebenfalls laut “Understatement” rufen!

Zum Einen wäre da der historische Fliegerchronograph Hanhart Pioneer TachyTele, der ebenfalls mit beidseitig entspiegeltem Saphirglas und roten Highlights kommt. Hier ein Vergleichsbild:

Mühle-Glashütte Teutonia Sport I vs. Hanhart Pioneer TachyTele Vergleich Chronographen
Mühle-Glashütte Teutonia Sport I vs. Hanhart Pioneer TachyTele

Ab sehr fairen 1890€ ist man dabei. Mehr über den Chrono und die (ebenfalls lange) Geschichte von Hanhart gibt’s hier:

Auch bei der Marke Guinand bekommt man eine lange und spannende Markenhistorie, gepaart mit einem tollen Preis-Leistungsverhältnis gemäß dem Kredo von Helmut Sinn. Der Guinand Chronograph 60.50-T2 ist ab 1390€ zu haben. Mehr zum Chrono.

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